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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Verschwörerin geworden war. Schon fiel der Startschuss zum ersten Galopprennen, die Pferde preschten los, und begeisterte Rufe aus dem Publikum zerrissen die Luft. Ich tat, als blickte ich wie gebannt auf die Rennbahn, doch meine Gedanken wanderten fort von den Pferdehufen. Ich ahnte, dass sich die Loge der Deutschen allmählich gefüllt hatte, und meinte zu spüren, wie verstimmt Hillgarth war, dass er sich nun bemühen musste, eine Möglichkeit zu finden, um die bevorstehende Katastrophe abzuwenden. Und dann hatte ich plötzlich die Lösung vor Augen, und zwar in Gestalt zweier Sanitäter des Roten Kreuzes, die in Erwartung eines Zwischenfalls untätig an eine Mauer gelehnt dastanden. Wenn ich diese unselige Loge nicht auf meinen eigenen Beinen verlassen konnte, dann musste mich eben jemand hinaustragen.
    Als Rechtfertigung konnten das aufregende Rennen oder das Schlafdefizit der letzten Monate herhalten, vielleicht die nervliche Anspannung. Aber nichts von alledem war die wahre Ursache. Allein mein Überlebensinstinkt hatte mich auf diese Lösung gebracht. Ich wählte einen geeigneten Platz – die rechte Seite der Loge, von den Deutschen am weitesten entfernt. Und überlegte mir den günstigsten Moment – wenige Sekunden nach dem Ende des ersten Rennens, wenn die Aufregung rundum am größten war und sich Begeisterungsrufe mit nicht minder lauten Bekundungen der Enttäuschung mischten. In genau diesem Moment ließ ich mich fallen. Mit einer wohlbedachten Bewegung drehte ich den Kopf so, dass meine Haare das Gesicht bedeckten, als ich auf dem Boden lag, falls es einem neugierigen Augenpaar aus der angrenzenden Loge gelingen sollte, zwischen den Beinen, die mich sofort umstanden, einen Blick auf mich zu erhaschen. Ich blieb regungslos, mit geschlossenen Augen und schlaffen Gliedmaßen liegen, verfolgte jedoch mit gespitzten Ohren, was jede einzelne der Stimmen um mich herum äußerte. Ohnmacht, Luft, Gonzalo, schnell, Puls, Wasser, mehr Luft, schnell, schnell, da kommen sie, Notfallkoffer und einige Wörter auf Englisch, die ich nicht verstand. Die Sanitäter brauchten keine zwei Minuten, bis sie eintrafen. Eins, zwei, drei, hoch. Ich spürte, wie sie mich vom Boden auf die Trage beförderten und bis zum Kinn mit einer Decke zudeckten.
    » Ich begleite sie«, hörte ich Hillgarth sagen. » Wenn es nötig sein sollte, können wir den Arzt der Botschaft anrufen.«
    » Danke, Alan«, erwiderte mein Vater. » Ich glaube nicht, dass es etwas Ernstes ist, ein kleiner Schwächeanfall. Gehen wir erst einmal zur Krankenstation, danach sehen wir weiter.«
    Die Sanitäter trugen mich im Laufschritt durch den Zugangskorridor, dahinter folgten mein Vater, Alan Hillgarth und zwei andere Engländer, die ich nicht identifizieren konnte, Freunde oder Mitarbeiter des Marineattachés. Ich hatte zwar dafür gesorgt, dass mir die Haare wieder über das Gesicht fielen, als ich auf der Trage lag, doch ich bemerkte, wie Hillgarth mir die Decke bis über die Augen zog, ehe wir die Loge verließen. Sehen konnte ich nun nichts mehr, aber ich hörte sehr gut, was dann geschah.
    Auf den ersten Metern des Korridors begegnete unsere kleine Gruppe niemandem, aber etwa auf halbem Weg bestätigten sich meine schlimmsten Vorahnungen. Zuerst hörte ich noch mehr Schritte und Männerstimmen, die auf Deutsch sagten: Schnell, schnell, es hat bereits begonnen. Die Männer kamen uns entgegen, liefen fast. Dem festen Tritt nach mussten es Militärs sein, und aus dem befehlsgewohnten Ton schloss ich, dass es sich um Offiziere handelte. Vielleicht löste der Anblick des feindlichen Marineattachés, der eine Krankentrage eskortierte, eine gewisse Unruhe bei ihnen aus, doch sie blieben nicht stehen, sondern grüßten nur barsch und eilten dann weiter zu ihrer Loge. Unmittelbar danach drangen Geklapper von hohen Absätzen und weibliche Stimmen an mein Ohr. Auch die Damen näherten sich energischen Schrittes, und die Sanitäter, eingeschüchtert durch ein derart entschiedenes Auftreten, hielten an und machten ihnen Platz, damit sie vorbeigehen konnten. Fast hätten sie mich berührt. Ich hielt den Atem an, das Herz schlug mir bis zum Hals. Dann hörte ich, wie sich die Schritte entfernten. Erkannt hatte ich keine der Stimmen, und ich konnte auch nicht sagen, wie viele es gewesen waren, sicherlich mindestens fünf oder sechs. Sechs Deutsche, vielleicht sieben oder sogar mehr, darunter vermutlich einige Kundinnen von mir, von denen, die sich die teuersten Stoffe

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