Das Echo der Traeume
ich schon sagte«, fuhr er fort, nachdem sein Sekretär sich entfernt hatte, » ich kümmere mich nicht direkt um die Stoffe, die wir importieren. Soll heißen, ich bin auf dem Laufenden, was die Umsatzzahlen und so weiter angeht, dagegen in ästhetischen Dingen überfragt, doch ich vermute, ebendiese werden Sie interessieren.«
» Vielleicht kann mir einer Ihrer Angestellten weiterhelfen?«, schlug ich vor.
» Ja, natürlich, ich habe sehr tüchtige Mitarbeiter. Aber ich würde mich gerne selbst darum kümmern.«
» Ich möchte Ihnen keinesfalls …«, unterbrach ich ihn.
Er ließ mich nicht ausreden.
» Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen behilflich sein zu dürfen«, sagte er und bedeutete dem Kellner, er solle nachschenken. » Wie lange planen Sie in Lissabon zu bleiben?«
» Etwa zwei Wochen. Abgesehen von den Stoffen möchte ich diese Reise auch dazu nutzen, einige andere Lieferanten zu besuchen, vielleicht auch Ateliers und Geschäfte. Schuhe, Hüte, Wäsche, Kurzwaren … In Spanien bekommt man derzeit, wie Sie sicher wissen, kaum etwas Vernünftiges.«
» Ich werde Ihnen alle Kontakte verschaffen, die Sie benötigen, seien Sie unbesorgt. Lassen Sie mich nachdenken: Morgen früh muss ich für ein paar Tage verreisen. Was halten Sie davon, wenn wir uns Donnerstagvormittag sehen?«
» Gerne, aber ich möchte Ihnen wirklich nicht zur Last fallen …«
Er beugte sich zu mir und fixierte mich mit seinem Blick.
» Sie könnten mir niemals eine Last sein.«
Das werden wir noch sehen, fuhr es mir durch den Kopf. Mein Mund hingegen zeigte sein schönstes Lächeln.
Wir plauderten noch eine Weile über Nichtigkeiten, zehn Minuten, vielleicht fünfzehn. Als ich fand, dass es nun an der Zeit wäre, dieses Stelldichein zu beenden, tat ich, als müsste ich gähnen, schickte jedoch sofort eine gestammelte Entschuldigung hinterher.
» Verzeihen Sie. Die Nacht im Zug war recht anstrengend.«
» Dann lasse ich Sie sich ausruhen«, erwiderte er und erhob sich.
» Außerdem müssen Sie ja zu Ihrem Abendessen.«
» Ah, ja, das Abendessen, ich vergaß.« Er machte sich nicht einmal die Mühe, auf die Uhr zu sehen. » Wahrscheinlich warten sie schon auf mich«, fügte er unlustig hinzu. Ich ahnte, dass das eine Lüge war. Vielleicht aber auch nicht.
Auf unserem Weg in Richtung Lobby begrüßte er den einen oder anderen, wobei er mit verblüffender Leichtigkeit die Sprache wechselte. Ein Händedruck hier, ein Schulterklopfen da, ein liebevoller Kuss auf die Wange einer gebrechlichen alten Dame mit dem Aussehen einer Mumie und ein schelmisches Zwinkern zu zwei Señoras, die mit Schmuck behängt waren wie Weihnachtsbäume.
» Estoril ist voll von solchen Vogelscheuchen, die einmal reich waren«, flüsterte er mir ins Ohr, » aber sie klammern sich mit Zähnen und Klauen an die Vergangenheit und essen lieber Tag für Tag nur Brot und Sardinen, ehe sie das Wenige, was ihnen von ihrer verwelkten Herrlichkeit geblieben ist, unter Wert verkaufen. Behängt mit Perlen und Brillanten laufen sie herum, eingehüllt in Nerz- und Hermelinmäntel bis in den Hochsommer, aber die Handtasche ist voller Spinnweben und die Geldbörse hat seit Monaten keinen einzigen Escudo gesehen.«
Die schlichte Eleganz meines Kleides fiel auf in dieser Umgebung, und er sorgte dafür, dass es auch alle Welt bemerkte. Er stellte mich niemandem vor, und ebenso wenig klärte er mich über jemand anderen auf: Er ging lediglich an meiner Seite, hielt mit mir Schritt, als würde er mich eskortieren, stets galant, mich stolz vorzeigend.
Während wir in Richtung Ausgang gingen, zog ich rasch Bilanz. Manuel da Silva hatte mich persönlich begrüßt und mich zu einem Glas Champagner eingeladen. Vor allem aber hatte er mich mit eigenen Augen taxieren und abwägen wollen, ob es die Mühe lohnte, sich persönlich um den Auftrag zu kümmern, den er aus Madrid erhalten hatte. Irgendjemand hatte ihn über irgendjemanden und durch Vermittlung eines Dritten darum gebeten, sich um mich zu kümmern, doch das konnte man auf zweierlei Weise erledigen. Die eine: delegieren, mich von irgendeinem kompetenten Mitarbeiter betreuen lassen, damit er die Verpflichtung vom Hals hatte. Die andere: sich persönlich engagieren. Seine Zeit war Gold wert, er hatte sicher zahllose Verpflichtungen. Dass er angeboten hatte, sich selbst um meine unwichtigen Bedürfnisse zu kümmern, ließ vermuten, dass meine Mission auf einem guten Weg war.
» Ich werde mich so bald wie möglich mit
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