Das Echo der Traeume
Als die Behandlung beendet war, ging das Mädchen wieder hinaus und meine unbekannte Nachbarin verschwand hinter dem Wandschirm, um sich anzukleiden.
» Wir wissen, dass Sie eine gute Freundin in Lissabon haben, doch wir halten es nicht für klug, wenn Sie sich sehen«, meinte sie aus dem Hintergrund. » Señora Fox wird zu gegebener Zeit angewiesen, sich so zu verhalten, als würden Sie beide sich nicht kennen, falls Sie sich zufällig irgendwo begegnen. Und Sie tun das bitte auch.«
» Einverstanden«, murmelte ich mit starren Lippen. Mir passte diese Anweisung überhaupt nicht, ich hätte Rosalinda furchtbar gern wiedergesehen. Aber ich sah ein, dass es so besser war, und fügte mich – es blieb mir auch nichts anderes übrig.
» Morgen erhalten Sie die Details zu Ihrer Reise, vielleicht auch noch einige zusätzliche Informationen. Im Prinzip sind für Ihre Mission zwei Wochen vorgesehen. Sollten Sie aus irgendeinem wichtigen Grund länger bleiben müssen, schicken Sie ein Telegramm an das Blumengeschäft Bourguignon und geben einen Blumenstrauß zum Geburtstag einer – nicht existierenden – Freundin in Auftrag. Erfinden Sie irgendeinen Namen und eine Adresse. Die Blumen werden nicht verschickt, aber wenn ein Auftrag aus Lissabon eingeht, bekommen wir Bescheid. Dann werden wir mit Ihnen in irgendeiner Weise Kontakt aufnehmen, und Sie werden informiert.«
Wieder öffnete sich die Tür, und die Angestellte trat mit einem Schwung frischer Handtücher ein. Nun kam ich in den Genuss ihrer kundigen Hände. Ich ließ sie fügsam an mir arbeiten, während ich versuchte, einen Blick auf die Person zu erhaschen, die gleich hinter dem Wandschirm hervorkommen musste. Sie ließ auch nicht auf sich warten, doch als sie schließlich erschien, achtete sie sehr darauf, mir nicht das Gesicht zuzuwenden. Ich sah, dass sie helle, gewellte Haare hatte und – typisch englisch – ein Tweedkostüm trug. Dann streckte sie die Hand nach einer Ledertasche aus, die auf einer kleinen Bank an der Wand lag, und diese Tasche kam mir vage bekannt vor: Ich hatte sie kürzlich bei irgendjemand gesehen, und sie war nicht die Art Accessoire, die damals in spanischen Geschäften verkauft wurden. Dann griff sie nach einer roten Zigarettenschachtel aus Blech, die sie achtlos auf einem Hocker liegen gelassen hatte. Und da wusste ich es: Diese Dame, die Craven A rauchte und die Kabine in diesem Moment mit einem flüchtig gemurmelten adiós verließ, war die Gattin von Captain Alan Hillgarth. Die Frau, die ich erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal gesehen hatte, am Arm ihres Mannes, des unterkühlten Chefs des Secret Service in Spanien, der wahrscheinlich einen Schrecken wie selten zuvor in seiner Karriere bekommen hatte, als er mich im Hippodrom in der Loge der Engländer sah.
51
Manuel da Silva erwartete mich in der Hotelbar. Am Tresen herrschte großer Andrang: Grüppchen, Paare, einzelne Männer. Kaum hatte ich die Flügeltür durchschritten, wusste ich, wer er war. Und er wusste, wer ich war.
Schlank und gut aussehend, dunkelhaarig, an den Schläfen schon leicht ergraut, in einem hellen Smokingjackett. Gepflegte Hände, dunkler Blick, elegante Bewegungen. In Auftreten wie Umgangsformen ein echter Mann von Welt, in der Tat. Doch da war noch etwas anderes, etwas, das ich sofort spürte, als wir uns begrüßt hatten und er mir den Vortritt auf die zum Garten hin offene Terrasse ließ. Etwas, das mich sofort aufhorchen ließ. Intelligenz. Scharfsinn. Entschlossenheit. Weltgewandtheit. Um diesen Mann hinters Licht zu führen, brauchte es schon wesentlich mehr als hin und wieder ein bezauberndes Lächeln, ein paar verführerische Gesten und ein bisschen Wimperngeklimper.
» Sie wissen gar nicht, wie leid es mir tut, dass ich nicht mit Ihnen zu Abend essen kann, aber wie ich Ihnen bereits am Telefon sagte, habe ich schon seit Wochen einen Termin für heute Abend«, sagte er, während er mir, ganz Kavalier, den Stuhl zurechtrückte.
» Seien Sie unbesorgt«, erwiderte ich und nahm dabei mit gespielter Erschöpfung Platz. Mein langes safrangelbes Organzakleid berührte fast den Boden. Mit geübter Geste warf ich die Haare über die nackten Schultern nach hinten und schlug die Beine übereinander, sodass nicht nur die Schuhspitze, sondern auch der Knöchel und ein Stück Bein zu sehen waren. Da Silva ließ mich keine Sekunde aus den Augen. » Außerdem«, fügte ich hinzu, » bin ich nach der langen Reise ein wenig müde. Es wird mir guttun,
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