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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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seinem gegenwärtigen Leben.
    Wir fuhren die Estrada Marginal an der Küste entlang. Zu unserer Rechten toste das Meer, und als schließlich die ersten Docks von Lissabon auftauchten, hatte ich bereits eine genaue Vorstellung vom unternehmerischen Imperium des Familienclans. Manuel da Silva war der Sohn von Manuel da Silva und Enkel von Manuel da Silva: drei Männer aus drei Generationen, deren Vermögen mit einer einfachen Hafentaverne begonnen hatte. Der Großvater schenkte zunächst hinter einer Theke Wein aus und verkaufte ihn später fassweise. Dann zog das Geschäft in eine verwahrloste und bereits aufgelassene Lagerhalle, die João mir im Vorbeifahren zeigte. Der Stab ging an den Sohn, der das Geschäft erweiterte: Zusätzlich zum Wein wurden nun auch andere Produkte im großen Stil verkauft, und bald begann man, sich im Kolonialwarenhandel zu versuchen. Als der Dritte im Bunde die Zügel übernahm, florierte das Unternehmen bereits, doch die endgültige Konsolidierung kam mit dem letzten Manuel, den ich am Abend zuvor kennengelernt hatte. Baumwolle von den Kapverden, Holz aus Mosambik, chinesische Seide aus Macao. In letzter Zeit hatte er sich auch nationalen Bodenschätzen zugewandt: Ab und an reiste er ins Landesinnere, womit er dort Handel trieb, konnte João mir allerdings nicht sagen.
    Der alte João war schon so gut wie im Ruhestand: Ein Neffe hatte ihn bereits vor Jahren als persönlicher Chauffeur des dritten da Silva abgelöst. Aber er stand noch immer für kleinere Aufträge zur Verfügung, mit denen ihn der Chef ab und an betraute: kurze Fahrten, Besorgungen, kleinere Erledigungen, wie zum Beispiel an einem Morgen im Mai eine Schneiderin, die nichts zu tun hatte, in Lissabon herumzufahren.
    In einem Geschäft im Chiado kaufte ich mehrere Paar Handschuhe, die in Madrid so schwer zu bekommen waren. In einem anderen ein Dutzend Seidenstrümpfe, ein für Spanierinnen in der harten Nachkriegszeit schier unerfüllbarer Traum. Schließlich noch amerikanische Kosmetik: Wimperntusche, Lippenstift und Nachtcremes, die köstlich dufteten. Was für ein Paradies, verglichen mit der Kargheit meines armen Spaniens: Hier bekam man alles und in großer Auswahl; man brauchte nur die Hand danach auszustrecken und die Geldbörse zu zücken. João fuhr mich gewissenhaft von einem Ort zum anderen, trug meine Einkäufe, öffnete und schloss eine Million Mal die hintere Wagentür, damit ich bequem ein- und aussteigen konnte, empfahl mir ein reizendes Restaurant, wo ich zu Mittag aß, und zeigte mir Straßen, Plätze und Denkmäler. Und nebenbei beschenkte er mich mit dem, wonach mich am meisten dürstete: mit steten Pinselstrichen, die sich zu einem Bild von da Silva und seiner Familie zusammenfügten. Einiges war uninteressant: dass die Großmutter der wahre Motor des ursprünglichen Geschäfts gewesen und die Mutter jung verstorben war, dass die ältere Schwester einen Augenarzt geheiratet hatte und die jüngere in einen Barfußorden eingetreten war. Anderes war da schon vielversprechender. Der betagte Chauffeur warf mit diesen Informationen ganz naiv und offen um sich. Es genügte, wenn ich hier und da bei einer seiner Bemerkungen unschuldig nachhakte: Don Manuel habe viele Freunde, Portugiesen und Ausländer, Engländer, na klar, in letzter Zeit auch den einen oder anderen Deutschen. Ja, er empfange oft Gäste zu Hause und schätze es deshalb, wenn immer alles für den Fall vorbereitet sei, dass er mit Gästen zu Mittag oder Abend essen wolle, mal in seinem Lissabonner Wohnsitz de Lapa, mal in der Quinta del Fonte, seinem Landhaus.
    Im Laufe des Tages hatte ich außerdem Gelegenheit, die unterschiedlichen Menschen zu beobachten, die diese Stadt bevölkerte: Lissabonner jeder Couleur und jeden Charakters, Männer in dunklen Anzügen und elegante Damen, Neureiche, die gerade erst vom Land in die Stadt gekommen waren, um goldene Uhren zu kaufen und sich falsche Zähne einsetzen zu lassen, Trauer tragende Frauen, die an Raben erinnerten, Deutsche von einschüchterndem Aussehen, jüdische Flüchtlinge, die mit gesenkten Köpfen durch die Straßen gingen oder Schlange standen, um ein Ticket an irgendeinen sicheren Ort zu ergattern, und Fremde aus aller Herren Länder auf der Flucht vor dem Krieg und seinen schrecklichen Folgen. Unter ihnen befand sich, so nahm ich an, wohl auch Rosalinda. Auf meine Bitte hin, die wie ein spontaner Einfall klang, zeigte mir João die prächtige Avenida da Liberdade mit ihrem Pflaster aus

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