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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Wort zu wechseln, begannen sich alle dem Mittagessen zu widmen und nahezu synchron ihre Löffel vom Teller zum Mund zu führen. Kein anderes Geräusch war zu hören als die Stimme der Hauswirtin, der dumpfe Klang der Löffel, wenn sie auf den Boden der Steingutteller tauchten, und das Schluckgeräusch, wenn das Essen seinen Weg durch die Speiseröhre nahm. Eine kleine Unachtsamkeit von Candelaria indes ließ mich verstehen, warum sie unentwegt redete: Die erste winzige Pause in ihrem Redefluss nutzte eine der ältlichen Schwestern dazu, Unruhe zu stiften. Da begriff ich, warum sie selbst wie ein Steuermann mit fester Hand das Gespräch bestimmen wollte.
    » Es heißt, Badajoz ist schon gefallen.« Auch die wenigen Worte der jüngeren der beiden schienen an niemanden konkret gerichtet. Vielleicht an den Wasserkrug, vielleicht an den Salzstreuer, an das Essig- und Ölgestell oder an das Bild vom heiligen Abendmahl, das ein wenig schief an der Wand hing. Auch der Ton, in dem sie es sagte, wirkte gleichgültig, als hätte sie eine Bemerkung über das Wetter oder den Geschmack der Erbsen gemacht. Dennoch war mir sofort klar, dass ihr Einwurf ebenso harmlos war wie ein frisch geschliffenes Messer.
    » Was für ein Jammer, nicht wahr? So viele kräftige Burschen, die sich in Verteidigung der rechtmäßigen republikanischen Regierung geopfert haben! So viele junge, lebensfrohe Kerle, die einer so appetitlichen Frau wie Ihnen, Sagrario, noch so viel Freude hätten schenken können!«
    Die bissige Erwiderung kam von dem Handelsvertreter und löste beim Rest der männlichen Tischgäste ein Echo in Form lauten Gelächters aus. Als Doña Herminia bemerkte, dass ihr Paquito die Bemerkung des Verkäufers von Haarwuchsmitteln auch sehr spaßig gefunden hatte, versetzte sie dem Jungen einen Schlag gegen den Hinterkopf, dass sein Nacken rot anlief. Da meldete sich, sozusagen als Stimme der Vernunft, der alte Lehrer zu Wort, um dem Jungen – vermeintlich – zur Seite zu springen. Ohne den Kopf vom Teller zu heben, erklärte er:
    » Lach nicht, Paquito, denn wer lacht, dem trocknet der Verstand ein, heißt es.«
    Er konnte kaum den Satz beenden, schon ging die Mutter des Angesprochenen dazwischen.
    » Deshalb musste sich die Armee ja erheben, um mit dem ganzen Gelächter, dem Frohsinn und der Zügellosigkeit aufzuräumen! Sie waren ja auf dem besten Weg, Spanien zugrunde zu richten …«
    In diesem Moment schienen alle Dämme zu brechen. Die drei Männer auf der einen und die drei Frauen auf der anderen Seite erhoben fast gleichzeitig die Stimme. Es ging zu wie auf dem Hühnerhof. Keiner hörte dem anderen zu, alle schrien sich an und warfen sich gegenseitig die grässlichsten Beleidigungen und Beschimpfungen an den Kopf. Verderbter Roter, alte Betschwester, Sohn des Satans, sauertöpfisches Weib, Atheist, verkommenes Subjekt und Dutzende andere Beiwörter, die den Tischgenossen von gegenüber verunglimpfen sollten – die wütenden Anwürfe flogen wie bei einem Kreuzfeuer hin und her. Die Einzigen, die den Mund hielten, waren Paquito und ich selbst: ich, weil ich neu war und über das strittige Thema weder etwas wusste noch eine Meinung dazu hatte, und Paquito wahrscheinlich aus Angst vor den Backpfeifen seiner erzürnten Mutter, die, den Mund voller halb zerkauter Kartoffeln und eine Spur aus Olivenöl vom Mund zum Kinn, den Lehrer soeben einen widerlichen Freimaurer und Teufelsanbeter schimpfte. Unterdessen verwandelte sich Candelaria am anderen Tischende von Sekunde zu Sekunde in ein anderes Wesen: Es war, als würde der Zorn ihren Umfang verdoppeln, und ihr kurz zuvor noch liebenswürdiges Gesicht wurde rot und röter, bis sie nicht mehr an sich halten konnte und mit der Faust auf den Tisch schlug, sodass der Wein aus den Gläsern hüpfte, die Teller aneinanderstießen und ihr Inhalt auf die Tischdecke schwappte. Ihre Donnerstimme übertönte das Geschrei aller anderen.
    » Wenn in meinen heiligen Hallen noch einmal von dem verfluchten Krieg gesprochen wird, setze ich euch alle auf die Straße und werfe euch die Koffer vom Balkon aus nach!«
    Widerwillig und sich böse Blicke zuwerfend strichen die Tischgäste die Segel und senkten wieder ihre Löffel in die Teller, um den ersten Gang zu beenden, wobei sie ihren Zorn nur mühsam beherrschten. Die Makrelen, die es als zweiten Gang gab, wurden fast schweigend verspeist. Von der Wassermelone zum Nachtisch drohte wegen ihrer roten Farbe allerdings Gefahr, aber die Spannung entlud

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