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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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ließ ein Paar abgenutzte bräunliche Schlappen vor meine Füße fallen. » Und jetzt der Haik.« Sie hielt den weiten Umhang aus weißem Leinen hoch. » Das ist er, leg ihn mal um, damit ich sehe, wie du damit aussiehst.«
    Sie musterte mich mit einem schiefen Lächeln.
    » Perfekt. Eine richtige kleine Marokkanerin. Aber vergiss nicht: Bevor du aus dem Haus gehst, musst du auch den Gesichtsschleier anlegen, sodass Mund und Nase bedeckt sind. Los, gehen wir nach draußen, ich muss dir noch schnell den Weg erklären.«
    Ich tat mühsam die ersten Schritte. Es war fast unmöglich, mich normal zu bewegen, die Pistolen wogen schwer wie Blei und zwangen mich zu einem seltsamen Watschelgang mit halb gespreizten Beinen. Auch die Arme standen unnatürlich vom Körper ab. Wir gingen auf den Flur, Candelaria voran und ich schwerfällig hinterdrein, eine unförmige weiße Gestalt, die gegen Wände, Möbel und Türrahmen stieß. Bis ich, ohne es zu bemerken, an eine Konsole prallte und alles zu Boden fiel, was auf ihr gestanden hatte: ein Keramikteller aus Talavera, eine zum Glück nicht brennende Petroleumlampe und ein sepiafarbenes Bild von irgendeinem Verwandten der Hauswirtin. Der Teller, das Glas des Bilderrahmens und der Lampenschirm gingen auf den Bodenfliesen mit einem solchen Lärm zu Bruch, dass die Pensionsgäste in den benachbarten Zimmern aus dem Schlaf gerissen wurden. Die Sprungfedern der Betten begannen zu ächzen.
    » Was ist los?«, rief die Matrone aus ihrem Zimmer.
    » Nichts, mir ist nur ein Glas Wasser heruntergefallen. Schlaft weiter!«, erwiderte Candelaria mit Nachdruck.
    Ich wollte mich bücken, um die Scherben aufzusammeln, doch es gelang mir nicht.
    » Lass, Mädchen, lass, das räume ich später weg«, sagte sie und schob ein paar Scherben mit dem Fuß beiseite.
    Und dann öffnete sich unversehens eine Tür, kaum drei Meter von uns entfernt, und wir sahen den mit Lockenwicklern bestückten Kopf von Fernanda herauslugen, der jüngeren der Betschwestern. Doch ehe sie Gelegenheit hatte, sich zu fragen, was geschehen war und was eine verschleierte Marokkanerin zu dieser frühen Stunde im Flur machte, schleuderte ihr Candelaria eine bissige Bemerkung entgegen, die sie auf der Stelle verstummen ließ.
    » Wenn Sie sich nicht sofort wieder hinlegen, werde ich gleich, wenn ich aufgestanden bin, Ihrer Schwester Sagrario stecken, dass Sie sich freitags auf der Uferpromenade mit dem Sanitätshelfer aus der Ambulanz treffen.«
    Die panische Angst, dass ihre fromme Schwester von ihrer Liebelei erfahren könnte, war stärker als ihre Neugier, und so zog sich Fernanda geräuschlos wie ein Aal in ihr Zimmer zurück.
    » Los, mach zu, Mädchen, uns wird die Zeit knapp«, drängte die Schmugglerin energisch. » Es ist besser, wenn dich niemand aus dem Haus kommen sieht, kann ja sein, dass Palomares hier herumstreicht, und dann hätten wir von vornherein verspielt. Also komm jetzt!«
    Wir traten auf den kleinen Innenhof hinter dem Haus hinaus, wo uns die stockfinstere Nacht, ein sich in die Höhe windender Weinstock, jede Menge Gerümpel und das alte Fahrrad des Postbeamten erwarteten. Wir drückten uns in eine Ecke und begannen erneut, miteinander zu flüstern.
    » Und was soll ich jetzt machen?«, wollte ich wissen.
    Offenbar hatte sich Candelaria alles gut überlegt, was sie mir jetzt in entschlossenem, ruhigem Ton mitteilte.
    » Du steigst auf den Fenstersims da und springst von dort über die Gartenmauer, aber pass auf, dass sich das Gewand nicht zwischen deinen Beinen verheddert, sonst fällst du aufs Maul.«
    Ich betrachtete den in rund zwei Meter Höhe befindlichen Fenstersims und das angrenzende Mäuerchen, auf das ich mich hochziehen musste, um von dort auf die andere Seite springen zu können. Wie ich das schaffen sollte, beschwert durch das Gewicht der Pistolen, fragte ich mich lieber nicht. Also beschränkte ich mich darauf, weitere Anweisungen zu erbitten.
    » Und dann?«
    » Dann landest du direkt im Hof von Don Leandros Lebensmittelgeschäft. Dort steigst du auf die ausrangierten Kisten und Fässer, die er dort lagert, und kommst problemlos in den angrenzenden Hof, der zur Konditorei des Juden Menahen gehört. Am anderen Ende findest du eine Holztür, durch die du auf eine Gasse gelangst. Von dort holt er die Mehlsäcke in die Backstube. Sobald du draußen bist, vergisst du am besten, wer du bist: Achte darauf, dass der Umhang alles bedeckt, mach dich klein, und gehe in Richtung jüdisches Viertel. Von

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