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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Geh doch in die Schule von Bertuchi.«
    » Von wem?«
    » Von Bertuchi, dem Maler.« Mein Gesichtsausdruck verriet ihm, dass mir der Name absolut nichts sagte. » Aber, Mädchen, du bist seit drei Monaten in Tetuán und weißt nicht, wer Meister Bertuchi ist? Mariano Bertuchi, der große Maler von Spanisch-Marokko.«
    Weder wusste ich, wer jener Bertuchi war, noch interessierte er mich. Alles, was ich wollte, war eine möglichst schnelle Lösung für mein Problem.
    » Und er wird mir die Zeichnungen anfertigen können, die ich brauche?«, fragte ich ungeduldig.
    Don Anselmo brach in schallendes Lachen aus, das in einen heftigen Hustenanfall überging. Die drei Päckchen Toledos, die er täglich rauchte, hinterließen unüberhörbar ihre Spuren.
    » Wo denkst du hin, Sira, meine Kleine. Bertuchi gibt sich doch nicht mit deinen Modezeichnungen ab. Don Mariano ist ein Künstler, ein Mann, der nur für seine Malerei lebt, der sich dafür einsetzt, dass die traditionelle Kunst dieses Landes nicht in Vergessenheit gerät und Marokko über seine Grenzen hinaus bekannt wird, doch er ist kein Auftragskünstler. Aber du findest in seiner Schule sicher eine Menge Leute, die dir behilflich sein können, junge Maler, die wenig zu tun haben, junge Frauen und Männer, die bei ihm Unterricht nehmen.«
    » Und wo ist diese Schule?«, fragte ich, während ich mir schon den Hut aufsetzte und eilig nach meiner Handtasche griff.
    » Gleich bei der Puerta de la Reina.«
    Mein verwirrter Gesichtsausdruck hatte wohl wieder sein Mitgefühl erregt, denn nachdem er noch einmal heiser aufgelacht und sich von dem darauf folgenden Hustenanfall erholt hatte, erhob er sich mühsam aus dem Sessel und meinte:
    » Los, gehen wir, ich begleite dich.«
    Wir ließen die Calle Luneta hinter uns und betraten die Mellah, das jüdische Viertel, in dessen engen, sauberen Gassen ich mich an mein zielloses Herumirren in jener Nacht erinnerte, als ich mit den Pistolen unterwegs war. Nun, bei Tageslicht, wo die kleinen Geschäfte und Wechselstuben geöffnet hatten, sah jedoch alles ganz anders aus. Dann gelangten wir in die Medina, in die maurische Altstadt mit ihrem Labyrinth an Gassen, in denen ich mich noch immer kaum zurechtfand. Trotz meiner hohen Absätze und des engen Rockes wollte ich auf dem buckeligen Straßenpflaster schnell vorankommen. Doch das Alter und der Husten hinderten Don Anselmo daran, mit mir Schritt zu halten. Das Alter, der Husten und sein unaufhörlicher Monolog über die Farbgebung und das Licht bei Bertuchis Bildern, über seine Ölgemälde, Aquarelle und Federzeichnungen, über das Engagement des Malers als Förderer der Schule für traditionelle Volkskunst und den Vorbereitungskurs für die Kunstakademie.
    » Hast du von Tetuán aus schon mal einen Brief nach Spanien geschickt?«, fragte mein Begleiter.
    Natürlich hatte ich meiner Mutter Briefe geschickt. Ich bezweifelte jedoch sehr, ob sie angesichts der momentanen Umstände ihr Ziel in Madrid überhaupt erreicht hatten.
    » Nun, fast alle Briefmarken des Protektorats tragen Zeichnungen von ihm. Bilder der Felseninsel Al-Hoceima, von Alcazarquivir, Chaouen, Larache und Tetuán. Landschaften, Menschen, Szenen aus dem Alltagsleben – er kann mit seinem Pinsel alles darstellen.«
    Wir gingen weiter, er plaudernd, ich mit möglichst raschem Schritt und zuhörend.
    » Und die Werbeplakate zur Förderung des Tourismus, kennst du die auch nicht? Ich glaube nicht, dass es in der unheilvollen Zeit, in der wir leben, viele Leute zu einer Vergnügungsreise nach Marokko zieht, doch Bertuchis Kunst hat jahrelang dafür gesorgt, dass sich hierzulande der Wohlstand ausbreiten konnte.«
    Ich wusste, welche Plakate er meinte, sie hingen an vielen Stellen, ich sah sie täglich. Drucke von Tetuán, Ketama, Arcila und anderen Orten der Region. Und als Bildunterschrift » Protectorado Español de Marruecos«. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis Spanisch-Marokko andere Namen bekam.
    Wir mussten eine ganze Weile laufen, bis wir unser Ziel erreichten, und auf diesem Fußmarsch immer wieder ausweichen, Menschen und Marktschreiern, Ziegen und Kindern, Leuten in europäischer Kleidung und mit Dschellaba, feilschenden Käufern, verhüllten Frauen, Hunden und Pfützen, Hühnern, immer umweht vom Duft nach Koriander und Minze, nach frischem Brot in Lehmöfen und Olivenpaste – kurz und gut, dem prallen Leben. Die Schule befand sich am Rande der Stadt in einem Gebäude, das zu einer alten, über der

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