Das Echo der Vergangenheit
nicht die seiner Mutter, aber sie wusste jetzt, was er gern hatte. Sie sah auf ihn hinunter und flüsterte: »Wo ist deine Mama nur? Wie konnte sie es ertragen, dich zu verlassen?«
Kapitel 5
Matt nahm den Anruf mit einem Seufzen entgegen. Ein ausgesetzter Säugling. Hispanischer Herkunft. Eine Woche alt. Wenigstens war er nicht in einer Müllkippe gefunden worden.
Er steckte seine Schlüssel ein und wappnete sich für den Fall. Als er gerade an der Tür war, ging sein Piepser. Er sah auf die Nummer. Becca. Er würde sie vom Auto aus anrufen, ihr die Gelegenheit zu geben, ihrem Herzen Luft zu machen, und dann überlegen, was er Gutes über Ryan sagen konnte. Er war weder gemein noch destruktiv, sondern einfach nur verantwortungslos. Es könnte schlimmer sein. Viel schlimmer.
Er schnallte sich an und gab die Nummer ein. »Hallo, Becca.«
»Tut mir leid, dass ich dich bei der Arbeit störe.«
»Ich hätte dir nicht die Nummer für meinen Piepser gegeben, wenn das ein Problem wäre.«
»Stimmt auch wieder. Also, ich brauche eine Begleitung.«
»Aha.« Er startete den Motor.
»Freitagabend ist das Essen anlässlich der Preisverleihung für den besten Verkäufer. Wenn ich da allein hingehe, machen mich die Börsenmakler den ganzen Abend an.«
Ihr Selbstwertgefühl hatte offensichtlich keinen Knacks. »Ich verstehe das Problem.«
»Gehst du mit mir hin?«
»Äh ... Ryan würde bestimmt unheimlich gerne …«
»Komm schon, Matt; du siehst im Anzug so gut aus.«
»Ich kann doch nicht mit Ryans Verlobter ausgehen.«
»Aber es ist nur eine geschäftliche Verabredung und ich bin nicht seine Verlobte.«
»Becca, ich bin Ryans Freund.«
»Und meiner nicht?«
»Natürlich bin ich das.« Er fuhr über eine Kreuzung. »Ich bin mit euch beiden befreundet. Und deshalb will ich nicht zwischen euch stehen.«
Sie seufzte. »Ich dachte, du wärest für mich da, Matt. Ryan kann bei dir abhängen, aber ich bekomme nichts von deiner Zeit ab?«
»Darum geht es nicht.«
»Ich brauche einen starken und gut aussehenden Mann, der mir den Rücken freihält. Und ich habe dich seit Wochen nicht mehr gesehen. Das ist doch eine vernünftige Bitte.«
Aber Ryan wäre am Boden zerstört. Oder wütend. Oder beides. Andererseits war Becca auch eine gute Freundin von ihm. Wenn Ryan beschäftigt oder verreist gewesen wäre, hätte er sie ohne Umschweife begleitet. Aber sie hatte Ryan den Ring zurückgegeben – oder genauer gesagt, ihm den Ring an den Kopf geworfen. Streng genommen bedeutete das, dass sie ungebunden war.
Sie sprach weiter, bevor er sich eine gute Antwort überlegt hatte. »Ich würde dich auch nicht als Verabredung bezeichnen, wenn du dich dann besser fühlst. Ich sage einfach, dass du ein Freund bist. Ein guter Freund, wie ich immer dachte.«
Er lehnte den Kopf an die Kopfstütze und bog in die ruhige Straße, in die er gerufen worden war. Nettes Haus, aber der Schein konnte täuschen. »Also gut. Aber ich erzähle es Ryan, damit er es nicht von jemand anderem hört.«
»Es spielt zwar keine Rolle, ob oder wie Ryan etwas hört, aber nur zu.«
»In Ordnung. Wir sehen uns dann am Freitag.« Er parkte vor der italienisch wirkenden Villa. Dem Bericht hatte er nicht eindeutig entnehmen können, wie das Baby hierhergekommen war. Hatte jemand den Säugling vor der Tür abgelegt? Das Haus strömte ein angenehmes Gefühl der Ruhe aus, und wenn ... Aber er musste aufhören zu spekulieren und sich auf die Fakten konzentrieren. Motive und Absichten zu erraten, das gehörte zwar zu seiner Arbeit. Aber er musste sich nicht Szenarios ausmalen, bevor er überhaupt wusste, womit er es zu tun hatte.
* * *
Sofie ging im Salon auf und ab. Rese hatte darauf bestanden, dass sie die Polizei riefen, aber sie hätte ihr sagen können, dass es zu früh war, um Maria offiziell als vermisst zu melden. Dass jemand an einem Tag da war und am nächsten nicht, bedeutete nicht unbedingt, dass er Opfer eines Verbrechens geworden war. Selbst dann nicht, wenn jemand sechs Jahre lang auf die Rückkehr dieses Menschen gewartet hatte.
Die Polizei hatte jedoch die Fürsorge darüber informiert, dass Maria ein Baby zurückgelassen hatte, und jemand vom Jugendamt war inzwischen auf dem Weg zu ihnen. Sofie schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter, den die Worte Kind und Fürsorge in ihr auslösten. Am liebsten hätte sie sich im Kutscherhaus versteckt. Aber Rese hatte sie gebeten, auf die Klingel zu achten, während sie ihre Sachen für die Arbeit
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