Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
ansahen, wenn sie dachten, ich bekäme es nicht mit. Ich war ein stilles Kind. Ein Einzelgänger, ein Leser, ein Denker – was es alles zusammen leichter machte, unbemerkt zu bleiben. Ich wurde ein Experte im Lauschen, darin, mit der Zeit immer wieder einzelne Häppchen aufzuschnappen, deren Bedeutung sich mir bis jetzt nie so richtig erschlossen hat. Ich wusste immer, dass ich anders war, ich wusste nur nicht, wie anders. Außerdem hatte ich dieses grundlegende Wissen, dass ein ungewöhnliches Schicksal auf mich wartet. Und auch wenn ich noch nicht genau weiß, was das ist – so fügt sich doch allmählich alles zusammen. Das Rätsel, an dem ich seit Jahren herumbastele, ist der Auflösung wesentlich näher gekommen.«
Ich sehe ihn an, so verzweifelt, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll.
»Du bist die Suchende«, sagt er.
Ich schließe die Augen und wünschte, ich könnte mein Leben zurückspulen. Wäre nie hierher gefahren. Hätte es nie so weit kommen lassen. Dann wäre ich genauso geendet wie mein Dad – tot vor meiner Zeit. Um dem zu entgehen, habe ich beschlossen, mich meiner Bestimmung zu stellen, nur um zu erkennen, dass ich nicht mehr als ein kleines Zahnrädchen im Lauf der Dinge bin. Gesteuert von den Umständen, ohne selbst Einfluss nehmen zu können.
Ich bin so in Gedanken verloren, dass ich fast überhöre, was Dace als Nächstes sagt. »Und Cade ist ein Coyote – ein Mitglied des El-Coyote-Clans wie alle Richters.«
Ich lasse die Schultern sinken und wünschte, ich könnte verschwinden, mich einfach in Luft auflösen.
»Und ich bin das Echo von Coyote.«
Ich reibe die Lippen aneinander, fühle mich immer unwohler in meiner Haut und habe keine Ahnung, worauf er damit hinauswill, spüre aber, dass es noch schlimmer werden wird.
Er holt tief Luft und kratzt sich heftig das Kinn, ehe er mit frostiger Stimme zu flüstern beginnt: »Das nimmt kein gutes Ende.« Sein Blick wandert zu mir. »Jemand muss sterben. Ich hatte Träume – Träume, die ich jetzt als Prophezeiungen erkenne. Wir werden nicht alle überleben. Und auch wenn ich nicht aufhören kann, dich zu lieben, Daire – dafür ist es viel zu spät –, kann ich doch aufhören …« Er mahlt mit dem Kiefer und presst mühsam die Worte hervor. »Ich kann aufhören, unserer Liebe Nahrung zu geben. Jetzt, wo ich weiß, dass es ihn stärkt, bleibt mir keine andere Wahl. Es ist, wie er gesagt hat – er profitiert von jedem liebevollen Gedanken, den ich für dich hege. Und es lässt sich nicht leugnen, dass meine Liebe zu dir immer weiter wächst, je mehr ich mit dir zusammen bin. Aber nachdem wir jetzt wissen, was wir wissen, können wir es uns nicht leisten weiterzumachen – können uns nicht leisten zusammen zu sein. Wir müssen das Opfer bringen. Distanz zwischen uns schaffen. Wir haben keine andere Wahl.«
»Nein«, sage ich, das Wort so brüchig, dass ich es mit aller Kraft wiederhole, die mir zu Gebote steht. »Nein ! Kommt nicht infrage. Das lasse ich nicht zu. Dein Bruder ist ein Widerling – ein Monstrum ! Er ist eine machthungrige Bestie mit einem schwarzen Herzen und will ohne Rücksicht auf Verluste die ganze Welt beherrschen, und ich weigere mich, einfach beiseitezutreten und ihn siegen zu lassen. Ich weigere mich, nach seinen Regeln zu spielen. Außerdem, wie können wir sicher sein, dass es wahr ist ? Vielleicht ist es das gar nicht, was das Echo ist. Vielleicht bedeutet es etwas völlig anderes.« Ich bin den Tränen nahe, aber die Worte klingen selbst in meinen eigenen Ohren verzweifelt und unwahr.
»Hast du ihn denn nicht gesehen ?«, schreit Dace, seine Stimme ebenso ungläubig wie seine Miene. »Das war keine Illusion – das war nur allzu echt !«
Ich seufze und lenke unwillig ein. »Das war nicht das erste Mal. Ich habe es schon einmal erlebt.«
»Ich auch …« Seine Stimme versiegt, während er auf die abblätternde gelbe Wandfarbe starrt und in Gedanken längst ganz woanders ist. »Und das hat auch nicht gut geendet, zumindest nicht für uns. Allerdings hat er ganz zufrieden gewirkt …« Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu, doch er schüttelt nur den Kopf und greift nach den Autoschlüsseln. »Komm jetzt. Es wird spät. Ich fahre dich heim.«
Ich folge ihm hinaus zu seinem alten Pick-up und steige neben ihm ein, während er die Heizung aufdreht, um die Kälte zu vertreiben. Doch die heiße Luft aus den Düsen zeigt keinerlei Wirkung. Mein Körper ist so taub wie mein Herz, und eine erhöhte
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