Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
geweidet haben, an meinem Konflikt mit der Realität.
Aber nachdem ich einmal den wahren körperlichen Unterschied zwischen Dace und Cade entdeckt und begriffen hatte, dass ihre Augen völlig unterschiedlich sind – etwas, was laut Paloma bisher noch niemand erkannt hatte –, war ich mir sicher, gegenüber Cades Tricks immun zu sein. Sicher, dass er mir nichts anhaben könne. Doch nun kann ich die Sogkraft nicht leugnen, die ich erst vor einem Augenblick empfunden habe, als er mich mit seinem Blick fixierte.
Die Art, wie er brutal an meiner Seele gezerrt hat.
Ich lasse Daces Hand fallen und renne zur Quelle, wo ich entsetzt nach Luft schnappe, als ich sehe, dass das, was ich schon für geheilt erachtet hatte, alles andere als geheilt ist.
»Nicht ganz das Paradies, für das du es gehalten hast, was ?« Cades Lachen kommt von hinten angekrochen. Spöttisch. Höhnisch. Ich betrachte den Blütenbaldachin, den ich zuvor als strotzend von Leben wahrgenommen habe und der nun zu einem Gewirr abgestorbener Ranken verkommen ist, in dem Ratten hausen, während das Ganze über einem grässlich fauligen Loch von Quelle hängt, das nur noch nach Tod riecht.
Selbst die grünsamtene Wiese, auf der Dace und ich unsere Liebe geteilt haben, ist jetzt nur noch ein verbrannter, löchriger Teppich voller Insekten.
Auch die Wunden, die ich für verheilt gehalten hatte, sind wieder da – mein Finger ist rot geschwollen und tut weh, und meine Füße sind von nässenden Blasen bedeckt, die an den Schuhen kleben.
Dace stößt einen langen Strom von Flüchen aus und zerrt unsanft an meiner Hand. Er drängt mich zu verschwinden, davonzurennen, uns zu verziehen, solange es noch geht. Aber ich kann noch nicht weg. Es gibt noch etwas zu sehen.
Ich wirbele herum, entsetzt von dem monströsen Anblick, der sich mir bietet.
Mein erstickter Schreckensschrei lässt auch Dace sich umdrehen. Ungläubig reißt er die Augen auf, als er den Cade aus meinen Albträumen sieht. Den Cade mit den rot glühenden Augen, dem klaffenden Mund und dem Schwarm doppelköpfiger, Seelen raubender Schlangen, die von der Stelle hervorgeschossen kommen, wo eigentlich seine Zunge sein müsste.
Doch im Gegensatz zu dem Cade aus meinen Träumen dehnt sich dieser rasch aus, als bestünde er aus Knetmasse und würde von unsichtbaren Händen auseinandergezogen. Seine Haut nimmt eine sonderbar schuppige Textur an und strahlt ein seltsames rötliches Leuchten aus, während sein Torso länger wird, seine Gliedmaßen sich aufblähen und dicke Muskelstränge entwickeln. Außerstande, ihn weiter zu umhüllen, zerreißen seine Kleider und fallen wie Federn um seine riesigen Klauenfüße, bis er massig, nackt und dräuend vor uns aufragt, während sich direkt neben ihm sein getreuer Kojote aufbläst und die beiden Augenpaare in einem identischen Rot erglühen.
Ohne ein Wort zerrt Dace mich auf Pferd zu. Mit seinem guten Arm umfasst er meine Taille und will mich gerade auf Pferds Rücken heben, als Pferd urplötzlich davongaloppiert und Rabe ihm nachfliegt. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Fuß durch ein sterbendes Land zu hasten, das mit jedem Schritt unwirtlicher wird.
Unser Abgang wird von Cades höhnischer Stimme begleitet. »Lauf nur, Bruder !«, ruft er. »Lauf, so weit du willst. Aber du wirst mir nie entkommen. Ich bin dein Echo – dein stetiger Begleiter – dein stetiger Beobachter.«
Acht
W i e lange weißt du es sch on ?« Dace geht in seiner kleinen Küche auf und ab. Zwei Schritte zu dem alten Herd, einen von dort zu dem vorsintflutlichen Kühlschrank und drei weitere zu der abgestoßenen Porzellanspüle und dann wiederum anderthalb Schritte zurück zum Herd, wo er stehen bleibt, sich erschöpft mit einer Hand die Augen reibt und mir einen so bestürzten Blick zuwirft, dass ich ihn nur zögernd erwidere.
Ich lasse mich auf einen Stuhl an dem mit Schnitzereien verzierten Holztisch fallen, der fast identisch mit dem in Leftfoots Haus ist, und wünschte, Dace würde sich zu mir setzen. Doch ich begreife, dass er das nicht einmal in Betracht zieht, ehe ich ihm ein paar der Antworten liefere, die er haben will. Ich hole tief Luft. »Paloma hat mir von den Umständen deiner Geburt erzählt – davon, dass Leandro Chepis Wahrnehmung lange genug verändert hat, um sie zu verführen.«
»Sie zu verführen ?« Dace wirbelt zu mir herum und zeigt mir seine empörte Miene. »Er hat sie vergewaltigt . Chepi war sechzehn Jahre alt und unberührt. Sie war
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