Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
überhaupt bemerkt hätte, dass ich weg sei. Er war so überzeugend, und ich war so leichtgläubig, dass ich sofort einwilligte. Erst später, als ich gefesselt und geknebelt war, offenbarte er sein wahres Gesicht. Es stellte sich heraus, dass ich nicht Daniel gefolgt war, sondern Leandro Richter. Er hatte mich überlistet. Mich manipuliert, indem er meine Wahrnehmung verändert und mir das gezeigt hat, was ich mir am sehnlichsten wünschte. Stundenlang hielt er mich gefangen – unterstützt von finsteren, bedrohlichen Gestalten, die er aus dem Äther heraufbeschwor. Gemeinsam übten sie schreckliche Rituale der Schwarzen Magie aus, bei denen ich misshandelt und geschlagen wurde und immer wieder das Bewusstsein verlor. Bis der Morgen graute und er meinen besinnungslosen Körper über Luckys Rücken warf und mich nach Hause zu Jolon schickte. Ein paar Stunden später war Jolon tot.«
Ihre Stimme birgt die stille Resignation einer Überlebenden – einer Frau, die das Schlimmste durchgemacht hat, was das Leben einem antun kann, die unbegreiflichen Akte der Grausamkeit, die Menschen sich aus freien Stücken gegenseitig zufügen.
»An diesem Tag habe ich meine Unschuld verloren, ich habe meinen Glauben verloren und ich habe meinen geliebten Vater verloren.«
Ich nehme meine Hand von ihrer und balle unter dem Tisch die Fäuste, während ich Leandro, Cade und allen anderen von ihnen Rache schwöre. Obwohl sie mir nichts erzählt hat, was ich nicht schon wusste, verhindert das nicht die neue Welle der Wut, die in mir aufwallt.
Ich entstamme der Dunkelheit. Bin der Spross eines so heimtückischen Akts, dass man es kaum fassen kann.
Wie kann sie es ertragen, mich anzusehen ?
Wie kann sie es ertragen, in meiner Nähe zu sein ?
Als spürte sie meine Gedanken, dreht sich Chepi auf ihrem Stuhl zur Seite, bis sie mir direkt ins Gesicht sieht. Sie umfasst mein Kinn mit Zeigefinger und Daumen und zwingt mich, sie anzublicken. »Neun Monate später, als ich dich bekam, als ich das Licht in deinen schönen blauen Augen sah, wusste ich, dass sich ein kleiner Teil von mir durchgesetzt hatte. Während sich dein Bruder als Leandros Schöpfung erwiesen hat, bist du, mein Sohn, mein und mein allein. Es ist mein Blut, das durch deine Adern fließt. Du bist ein reiner Whitefeather, und das darfst du nie vergessen. Dein Großvater Jolon war sowohl mächtig als auch begabt – er stand in Verbindung zum Göttlichen –, und ich hege keinen Zweifel daran, dass das auf dich genauso zutrifft.«
»Ja, ich bin die gute Hälfte – die reine Hälfte«, erwidere ich. Die Worte klingen bitter, triefen von Sarkasmus, während ich mein Kinn aus ihrem Griff winde, da ich ihren Blick nicht mehr auf mir spüren will, mich ihrer bedingungslosen Liebe unwürdig fühle.
»Du hast unbeschreibliche Freude in mein Leben gebracht.« Sie hält kurz inne. »Du bist der Grund, aus dem ich hier sitze. Deine Ankunft in dieser Welt hat mir Freude gegeben – und einen Grund, wofür ich leben kann. Dace, mein geliebter Junge, weißt du denn nicht, dass ich, seit du auf der Welt bist, es überhaupt nicht mehr anders haben möchte ?«
Das kann nicht wahr sein.
Nach allem, was sie durchgemacht hat, ist doch ausgeschlossen, dass sie das ernst meint.
Doch als ich endlich zögernd den Blick zu ihr hebe, erkenne ich, dass sie die Wahrheit spricht.
Ich schließe die Augen und ringe um Fassung. Als ich sie wieder aufschlage, spüre ich das dringende Bedürfnis, mich dafür zu entschuldigen, dass ich sie gezwungen habe, einen so entsetzlichen Tag erneut zu durchleben. »Das alles – die ganze Geschichte – tut mir wahnsinnig leid. Es tut mir leid, dass die Vergangenheit keine Ruhe gibt.«
Chepi zuckt die Achseln. »Wir hatten sechzehn friedliche Jahre zusammen. Dafür bin ich dankbar.« Sie greift mit einer Hand nach meiner Wange. Und als sie beginnt, mit meinen Haaren zu spielen, hindere ich sie nicht daran. Ihre Berührung ist sehr tröstlich für mich. »Obwohl wir jetzt in dieser Lage sind, bin ich sicher, dass wieder Frieden einkehren wird. Leandro hat meine Vergangenheit an sich gerissen, aber meine Zukunft bekommt er nicht – und deine auch nicht.« Ihre Stimme klingt so entschlossen wie selten, ihre Augen werden dunkler und erinnern mich an frisch aufgegrabene Erde. »Ich habe schon mit den Vorbereitungen begonnen.«
Ich sehe zu Leftfoot hinüber, der Chepi hier ebenso wenig folgen kann wie ich.
»Ich habe den Tag der Toten seit vielen Jahren nicht
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