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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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und seufzte lautstark.
    Iriarte machte eine leicht verärgerte Geste.
    »Na gut. Suchen Sie noch mal die Backstuben auf der Liste auf, und fragen Sie die Besitzer nach allen derzeitigen oder ehemaligen Angestellten, die wissen, wie man einen Txantxangorri herstellt. Gehen Sie dabei Jahre zurück, wenn es sein muss. Die Kuchen waren ausgezeichnet, und irgendwo muss er das ja gelernt haben. Und befragen Sie auch noch mal die Freundinnen der Mädchen, ob ihnen nicht doch noch etwas eingefallen ist, vielleicht hat jemand sie immer wieder beobachtet, wollte sie mitnehmen oder hat sich ihnen unter irgendeinem Vorwand genähert. Und sprechen Sie auch noch mal mit den Mitschülern und auch den Lehrern, ich will wissen, ob einer von ihnen in letzter Zeit netter als normal zu den Mädchen war. Mir ist aufgefallen, dass mindestens zwei Lehrer alle drei Mädchen unterrichtet haben, wenn auch in unterschiedlichen Jahrgangsstufen. Die Namen habe ich unterstrichen. Zabalza, versuchen Sie was über sie rauszukriegen, Vorfälle, Gerüchte. Oft wird ein kleiner Skandal aus falsch verstandener Solidarität unterdrückt.«
    Sie sah die Männer an, die mit erwartungsvollen Gesichtern vor ihr standen und aufmerksam ihren Anweisungen lauschten.
    »Señores, wir alle hier bilden das Team, dass den vielleicht raffiniertesten Mörder der letzten Jahre fassen muss. Ich weiß, dass diese Arbeit an die Substanz geht, aber wir müssen es einfach schaffen. Irgendetwas muss uns entgangen sein, irgendein kleines Detail. Der Mörder hatte eine intime Beziehung zu seinen Opfern, eine intime Beziehung wohlgemerkt, keine sexuelle. Und bei dieser Art von Beziehung ist es nahezu unmöglich, dass er keine Spuren hinterlassen hat. Er tötet seine Opfer, schleppt sie zum Fluss, manchmal an unzugängliche Stellen, und dann präpariert er sie, setzt sie in Szene, als wären es Schauspielerinnen in seinem Bühnenstück. Das bedeutet viel Aufwand, viel Mühe, ein enger Kontakt mit den Leichen. Wir sind Profis, machen unsere Arbeit, aber wenn wir nicht bald einen Durchbruch erzielen, wird es problematisch. Die Bevölkerung ist aufgeschreckt, und im Tal sind so viele Streifenpolizisten im Einsatz, dass der Täter es wahrscheinlich erst wieder versuchen wird, wenn sich die Lage beruhigt hat. Zwar haben sich die Abstände zwischen den Morden verkürzt, aber mein Gefühl sagt mir, dass wir es nicht mit einem Irren zu tun haben, der allmählich durchdreht, sondern dass der Täter ganz kühl agiert. Er ist nicht dumm. Wenn ihm das Risiko zu groß erscheint, wird er aufhören und in sein unverdächtiges Leben zurückkehren. Wir haben also nur eine Chance: Wir dürfen keinen Fehler machen, jedes Detail kann wichtig sein.«
    Alle nickten.
    »Wir kriegen ihn«, sagte Zabalza.
    »Wir kriegen ihn«, wiederholten die anderen.
    Dass man sein Ermittlungsteam motivieren musste, hatte Amaia in Quantico gelernt. Man musste seine Leute fordern und gleichzeitig aufmuntern, wenn sich über längere Zeit kein Fortschritt einstellte und das Engagement nachließ. Sie sah ihr gespenstisch verzerrtes Spiegelbild im Fenster des leeren Versammlungsraums und fragte sich, welcher ihrer Leute wohl am demoralisiertesten war. An wen hatte sie ihre Worte eigentlich gerichtet? An sich selbst? Sie ging zur Tür, schloss von innen ab und nahm ihr Handy zur Hand, das genau in diesem Moment zu klingeln begann.
    James wollte wissen, ob sie geschlafen hatte, ob sie gefrühstückt hatte, ob es ihr gut ging. Sie log, sagte, Jonan sei gefahren, sodass sie die ganze Strecke über habe schlafen können. Nach fünf Minuten wurde sie ungeduldig, was James offenbar spürte, denn er nötigte ihr das Versprechen ab, zum Abendessen nach Hause zu kommen. Außerdem klang er jetzt noch besorgter als zu Beginn des Gesprächs. Als er schließlich auflegte, hatte Amaia ein schlechtes Gewissen, weil sie zu dem Menschen, den sie am meisten liebte, so patzig gewesen war.
    Sie suchte in ihrem Notizbuch die Nummer von Aloisius Dupree heraus, sah auf die Uhr und rechnete aus, wie spät es in Louisiana war. In Elizondo war es halb zehn, dann war es in New Orleans jetzt halb drei Uhr früh. Wenn Special Agent Dupree seine Gewohnheit beibehalten hatte, war er mit etwas Glück noch wach. Sie wählte seine Nummer. Noch vor dem zweiten Läuten ertönte seine heisere Stimme und brachte ihr den Südstaatencharme in Erinnerung, auf den man in Louisiana so stolz war.
    »Mon Dieu! Womit habe ich diese unerwartete Freude verdient,

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