Das Echo dunkler Tage
kauften Voodoo-Light-Mitbringsel wie Amulette oder Halsketten, um sie zu Hause ihren Freunden vorzuführen. Dupree hingegen hatte eine detaillierte Bestellung bei Antoine aufgegeben, ihm einen Zettel mit den nötigen Zutaten und zwei Hundertdollarnoten in die Hand gedrückt. Antoine Meire war teuer, aber er wusste, dass Nana die mittelmäßigen Produkte der Konkurrenz nicht akzeptieren würde. Unter dem Balkon eines historischen Hauses in der St. Charles Avenue blieb er stehen und betrachtete eine Weile den Mardi-Gras-Umzug, der sich, gefolgt von schwitzenden und lärmenden Einwohnern, durch die Straßen des französischen Viertels wälzte. Mit dreißig Grad war es ungewöhnlich heiß für Februar, dazu wehte vom Mississippi her ein feuchter Wind, der die Türen aufquellen ließ, die Luft stickig machte und den Bierkonsum unter den Karnevalsjüngern steigerte. Dupree wartete ab, bis der Großteil der Karnevalstruppe vorbei war, überquerte die Straße und betrat einen der Durchgänge zwischen den Häusern. Das Holz knarrte, weil die Behörden noch nicht die Spezialfarbe geliefert hatten und die Fassaden der Hitze schutzlos ausgeliefert waren. Noch immer war deutlich zu erkennen, bis wohin das Hochwasser von Wirbelsturm Katrina gereicht hatte. Er stieg die Außentreppe hinauf, die knirschte wie die Knochen eines Greises, und betrat einen dunklen Flur. Beleuchtet wurde er lediglich von einer Tiffanylampe, die auf dem Sims eines kleinen Fensterchens stand. Es roch nach Eukalyptus und Schweiß. Dupree ging direkt zur letzten Tür und klopfte. Flüsternd fragte jemand, wer da sei.
»Ich bin’s, Aloisius.«
Eine alte Frau, die ihm kaum bis zur Brust reichte, öffnete die Tür und warf sich in seine Arme.
»Mon cher et petit Aloisius. Was führt dich hierher? Du willst doch nicht nur deine alte Nana besuchen.«
»Ach, Nana, dir entgeht auch nichts! Wieso bist du nur so klug?«, fragte er lachend.
»Parce que je suis très vielle. So ist das Leben, mon cher. Jetzt, wo ich endlich weise bin, bin ich zu alt für den Mardi Gras«, klagte sie lächelnd. »Was hast du da? Ein Geschenk?«
Sie zeigte auf die braune Tüte ohne Logo.
»Irgendwie schon, aber nicht für dich, Nana«, antwortete er und reichte sie ihr.
»Mon cher enfant, ich hoffe, dass du mir so ein Geschenk nie machen musst.«
Sie spähte in die Tüte.
»Wie ich sehe, warst du im Laden von Antoine Meire.«
»Oui.«
»Il est le meilleur«, lobte sie und schnupperte an den weißlichen Wurzeln, die im schwachen Licht der Wohnung aussahen wie die Knochen einer menschlichen Hand.
»Ich möchte einer Freundin helfen, die sich verloren hat.«
»Verloren? Wie verloren?«
»Verloren in ihren eigenen Abgründen.«
Nana stellte alles auf den Eichentisch, der fast das ganze Zimmer einnahm: über dreißig braune Umschläge mit allerlei Zutaten, kleine Schachteln, wie man sie für Gestein benutzte, und winzige Flakons mit duftenden Substanzen, die in fünfzig Staaten verboten waren.
»C’est bien, aber du musst mir helfen, die Möbel zu verrücken, damit wir genügend Platz haben. Außerdem musst du die Pentagramme auf den Boden zeichnen. Deine arme Nana ist vielleicht weise, aber das nützt nichts gegen Arthritis.«
38
D ie Nachttischlampe leuchtete grell. Zwanzig Minuten lang suchte Amaia im ganzen Haus nach einer Glühbirne mit weniger Watt. Dabei stellte sie zwei Dinge fest: dass Engrasi alle Glühbirnen gegen diese schrecklichen Energiesparlampen ausgetauscht hatte; und dass die Glühlampe in ihrem Schlafzimmer die einzige mit dünner Fassung war. James lag auf dem Bett und sah ihr zu, ohne etwas zu sagen. Er kannte dieses Ritual schon und wusste, dass seine Frau nicht eher ruhen würde, bis sie eine akzeptable Lösung gefunden hatte. Sichtlich genervt setzte sich Amaia aufs Bett und betrachtete die Lampe, als wäre sie ein ekliges Insekt. Dann nahm sie ihren dunkelvioletten Pashminaschal vom Stuhl, legte ihn über den Lampenschirm und sah James an.
»Immer noch zu viel Licht«, befand er.
»Stimmt.«
Sie stellte die Lampe zwischen Nachttisch und Wand auf den Boden, nahm eine ihrer Mappen vom Schminktisch und stellte ihn wie eine Art Wandschirm davor, sodass nur noch die Ecke beleuchtet wurde. Dann legte sie sich seufzend neben James, der sich aufrichtete und ihr über Stirn und Haare streichelte.
»Was hast du in Huesca gemacht?«
»Meine Zeit verplempert. Ich war mir sicher, dass die Txantxangorri irgendwo hier in der Gegend gekauft wurden. Und
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