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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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diese Wissenschaftler waren so nett, die Proben für uns zu analysieren. Hätte ich recht gehabt, wäre das ein konkreter Anhaltspunkt gewesen. Wir hätten die Verkäufer befragen können, schließlich sind das hier kleine Dörfer, und vielleicht hätte sich jemand erinnert, wer in letzter Zeit einen Txantxangorri gekauft hat. War aber nicht so. Was wiederum unzählige Fragen aufwirft: Vielleicht waren die Txantxangorri aus einer anderen Gegend, einer anderen Provinz; oder was noch wahrscheinlicher ist, vielleicht hat sie der Täter selbst gebacken, oder jemand, der ihm nahesteht, jemand, den er darum bitten kann.«
    »Ich weiß nicht, ein Serienmörder, der Kuchen backt, das passt doch nicht zusammen.«
    »Bei dem hier schon. Offenbar hält er die Tradition hoch, und ein Txantxangorri, das ist ja Tradition pur.«
    »Und nun?«
    »Ich weiß nicht. Freddy kann es nicht gewesen sein, Carlas Freund auch nicht, Johanas Stiefvater war nur ein Trittbrettfahrer. Die Überprüfung der engeren Verwandten und Freunde hat nichts ergeben. Es leben auch keine registrierten Pädophilen in der Gegend, und alle aktenkundigen Sexualstraftäter haben entweder ein Alibi oder sitzen im Gefängnis. Jetzt können wir nur noch tun, was kein Ermittler gern tut.«
    »Warten«, sagte James.
    »Genau, warten, bis der Täter wieder zuschlägt; und hoffen, dass er dabei einen Fehler begeht, weil er nervös geworden ist oder weil seine Eitelkeit ihn unvorsichtig gemacht hat; dass er irgendwas zurücklässt, das uns direkt zu ihm führt.«
    James beugte sich zu ihr, küsste sie und lehnte sich wieder zurück, um ihr in die Augen zu sehen. Dann küsste er sie noch einmal. Beim ersten Kuss wollte sie ihn noch zurückweisen, aber beim zweiten wich ihre Anspannung. Sie legte ihre Hand um James’ Nacken und zog ihn zu sich heran, weil sie sein Gewicht spüren wollte. Sie schob sein Hemd hoch, entblößte seine Brust und zog auch ihr eigenes Hemd aus. Sie liebte es, wenn er sich auf ihr anspannte wie ein griechischer Athlet. Sein wohlgeformter Körper machte sie verrückt, seine Wärme. Erregt ließ sie ihre Hände seinen Rücken hinuntergleiten, ergötzte sich an seinem festen Hintern, suchte seine Schenkel, um all seine Kraft zu spüren, während er sie an Hals und Brüsten küsste. Sie mochte den Sex am liebsten zärtlich und langsam, elegant, doch manchmal ließ sie sich von ihrer Lust mitreißen, dann hatte ihr Verlangen plötzlich etwas Hartes, Verzweifeltes, setzte ihren Verstand außer Kraft, verwandelte sie in ein Tier, das zu allem fähig war. Wenn sie sich liebten, musste sie ihm immerzu sagen, wie sehr sie ihn begehrte, wie glücklich es sie machte, mit ihm zu schlafen. Dabei war ihre Leidenschaft so groß, dass sie sie kaum in Worte fassen konnte. Außerdem wusste sie, wann sie schweigen musste. Wenn sie sich auf diese heiße, feuchte Art liebten, wenn die Münder nicht genügten und die Hände nicht ausreichten, wenn die Wörter heiser und stockend herauskamen, wenn ein Wirbel aus Gefühlen und Instinkten in ihr wütete und sie an die Grenzen der Vernunft trieb, an einen Ort, der sie gleichermaßen anzog und erschreckte, einen Abgrund, der verbarg, was nicht gesagt werden durfte, das quälendste Verlangen, die leidenschaftlichste Eifersucht, den wildesten Instinkt, die Verzweiflung, den unmenschlichen Schmerz, der kurz auftauchte, bevor die Lust sich endgültig Bahn brach, das Herz Gottes oder das Tor zur Hölle, den Weg zur Unsterblichkeit oder die grausame Entdeckung, dass danach nichts mehr kam, dass der Orgasmus gnädig alles löschte und der Schlaf sie umfing wie ein warmes Spinnennetz.
    Plötzlich flüsterte ihr Duprees Stimme etwas zu.
    Sie riss die Augen auf, beruhigte sich aber sofort wieder, als sie die vertraute Umgebung des Schlafzimmers erkannte, das milchige Licht der in der Ecke verborgenen Lampe. Sie drehte sich auf die andere Seite und machte die Augen wieder zu. Sofort sank sie in einen Zustand zwischen Schlafen und Wachen, in dem sie sich selbst und den neben ihr atmenden James gerade noch wahrnahm, den angenehmen Duft, der seinem Körper entströmte, die Wärme der Flanelldecken, die sie in den Schlaf zog.
    Da war es wieder. Das Böse. Ihr Herz schlug so heftig, dass es fast zu zerspringen schien. Noch bevor sie die Augen öffnete, wusste sie, dass es da war, am Fußende des Bettes. Es hatte schon eine Weile dort gestanden, sie mit einem verzerrten Lächeln und kalten Augen beobachtet, sich darauf gefreut, sie in Angst

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