Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
Vom Netzwerk:
meinen: unwahrscheinlich. Bären sind keine Aasfresser. Wenn die Jagdbeute mager ausfällt, fressen sie Flechten, Früchte, Honig, weiche Sprossen, alles, nur nicht Aas.«
    »Ich meinte auch nicht Leichen, sondern verarbeitete Nahrungsmittel. Leider darf ich nicht genauer werden …«
    »Bären finden Menschennahrung höchst verlockend. Tatsächlich sind Lebensmittel der Hauptgrund dafür, dass Bären sich bis in bewohnte Gegenden trauen und Müll durchwühlen. Wenn sie solche Leckerbissen kriegen, hören sie sogar auf zu jagen.«
    »Wenn ein solcher Duft lockt, würde ein Bär sich dann auch einer Leiche nähern?«
    »Durchaus, vorausgesetzt, er hat sich bis nach Baztán verirrt, was sehr unwahrscheinlich ist.«
    »Es sei denn, man verwechselt einen Bären mit einem … Sobaka«, kicherte Dr. Takchenko. González sah zu den Förstern, die einige Schritte entfernt standen.
    »Meine Kollegin spielt auf einen angeblichen Bärenfund im Jahr 2008 an, hier in der Nähe. Die Obduktion damals ergab, dass es sich um einen großen Hund handelte. Die Behörden hatten umsonst Alarm geschlagen.«
    »Ich kann mich an die Geschichte erinnern, stand damals in allen Zeitungen. Aber in unserem Fall können Sie uns zweifelsfrei bestätigen, dass es sich um Bärenhaare handelt, oder?«
    »Ja, wobei … Wir bleiben einige Tage hier, durchkämmen das Gebiet, in dem die Haare gefunden wurden, installieren an strategischen Punkten Kameras, vielleicht kriegen wir den Bären ja vor die Linse.«
    Sie nahmen ihre Köfferchen, und alle gingen den Pfad hinunter, den sie heraufgekommen waren. Amaia hielt sich einige Meter weiter vorne und versuchte die Spuren zu entdecken, die die Experten auf den Plan gerufen hatten. Die feindselige Stimmung der Förster konnte sie fast körperlich spüren. Sie drehte sich um.
    »Haben Sie in letzter Zeit etwas Außergewöhnliches bemerkt?«, fragte sie.
    Die beiden Männer sahen sich gegenseitig an, bevor sie antworteten.
    »Meinen Sie, ob wir einen Bären gesehen haben?«, fragte der Kleinere spöttisch.
    Amaia sah ihn an, als hätte sie ihn gerade erst bemerkt und wüsste noch nicht, wie sie ihn einzuordnen hatte. Dann trat sie so nah an ihn heran, dass sie sein Aftershave riechen konnte. Unter dem kakigrünen Kragen der Uniform lugte ein Fußballtrikot von CA Osasuna hervor.
    »Ich meine, Señor Gorria – Ihr Name ist doch Gorria, oder? –, ob Sie etwas beobachtet haben, das Ihnen berichtenswert erscheint. Zunahme oder Abnahme des Bestands an Hirschen, Wildschweinen, Kaninchen, Hasen oder Füchsen, Angriffe auf Nutzvieh, ungewöhnliche Tierarten, Wilderer, verdächtige Ausflügler, Jäger, Hirten, Trunkenbolde; Außerirdische oder Dinosaurier … Oder Bären.«
    Plötzlich, als hätte ihn eine Infektion ereilt, hatte der Förster einen roten Fleck, der ihm vom Hals bis zur Stirn reichte, und auf seiner angespannten Gesichtshaut bildeten sich kleine Schweißtröpfchen. Trotzdem blieb Amaia stehen und wich erst nach einigen Sekunden einen Schritt zurück. Ohne den Blick abzuwenden, wartete sie. Gorria sah zu seinem Kollegen, suchte seine Unterstützung, bekam sie aber nicht.
    »Sehen Sie mich an, Gorria!«
    »Wir haben nichts Ungewöhnliches beobachtet«, griff Flores schließlich ein. »Der Wald hat seinen eigenen Pulsschlag und scheint mir im Gleichgewicht. Meiner Meinung nach ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Bär so weit heruntergekommen ist. Ich bin kein Experte, aber in diesem Punkt stimme ich mit den Geisterjägern überein. Ich arbeite seit fünfzehn Jahren in diesen Wäldern und ich habe schon viel gesehen, das können Sie mir glauben, darunter ziemlich Merkwürdiges wie die Leiche dieses angeblichen Bären.« Gorria schüttelte den Kopf. »Wir waren damals anderer Meinung, aber zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass es der größte Hund war, den die Schöpfung je hervorgebracht hat, und dass er schon stark verwest und aufgebläht war. Dem Feuerwehrmann, der den Kadaver geborgen hat, war ein Monat lang schlecht.«
    »Was halten Sie von der These, dass ein Männchen einem Weibchen gefolgt ist und sich bis hierher verirrt hat?«
    Flores riss ein Blatt von einem Busch und faltete es symmetrisch zusammen, während er sich die Antwort überlegte.
    »Nicht bis so weit nach unten. In den Pyrenäen vielleicht, dort gibt es mehr Bären, als diese Experten sich das vorstellen können, jedenfalls mehr, als sie registriert haben. Aber nicht hier, nicht so weit unten.«
    »Und wie erklären Sie sich,

Weitere Kostenlose Bücher