Das Echo dunkler Tage
berührte feierlich diesen Stein, spürte, wie seine Kälte sich auf sie übertrug. Sie versuchte sich vorzustellen, wie dieser Platz am Ende des 17. Jahrhunderts ausgesehen hatte, als Laxoa das verbreitetste Ballspiel des Baskenlands war. Zwei Mannschaften à vier Spieler traten damals gegeneinander an, wie beim Tennis, nur ohne Netz. Die Spieler, die sogenannten Pelotaris, benutzten einen Handschuh namens Laxoa, um sich gegenseitig den Ball zuzuwerfen. Im 19. Jahrhundert, als sich andere Varianten entwickelten, verlor Laxoa an Bedeutung. Aber Amaia konnte sich noch gut erinnern, dass ihr Vater erzählt hatte, sein Großvater sei ein begeisterter Anhänger gewesen und habe sich einen Namen als Handschuhhersteller gemacht, für die er das edle Leder selbst gerbte.
Elizondo war ihr Dorf, der Ort, an dem sie am längsten gelebt hatte. Er war ein Teil von ihr, wie ein genetischer Fingerabdruck. Hierher kehrte sie in ihren Träumen zurück, wenn diese einmal nicht von Toten, Verbrechern, Mördern oder Selbstmördern bevölkert waren, sondern von diesen Straßen und Plätzen, diesen Steinen, diesem Ort, den sie immer hatte verlassen wollen. Sie war sich nicht sicher, ob sie Elizondo liebte, denn eigentlich sehnte sie sich nach dem Elizondo ihrer Kindheit, und dieses Elizondo gab es nicht mehr. Andererseits hatte sich das Dorf nicht sehr verändert. Es gab mehr Autos, mehr Straßenlaternen, mehr Bänke und Parks. Das Gesicht von Elizondo war neu geschminkt worden, aber die Essenz war gleich geblieben.
Sie fragte sich, ob es den Lebensmittelladen von Adela noch gab. Oder den von Pedro Galarregui in der Santiago-Straße. Oder Belzunegui und Mari Carmen, wo ihre Mutter immer ihre Kleidung gekauft hatte. Oder die Bäckerei Baztanesa, das Schuhgeschäft Virgilio, den Schrotthändler Garmendia in der Jaime-Urrutia-Straße. Aber es war nicht dieses Elizondo, das sie vermisste, es war etwas Tieferes, der Ort, der Teil ihrer Eingeweide war, der in ihr sein würde bis zu ihrem letzten Atemzug; das Elizondo, das von Plagen heimgesucht wurde, das Elizondo der verwüsteten Ernten, der Keuchhustenepidemie von 1440; der Menschen, die sich den feindseligen Bedingungen angepasst hatten, die ausgeharrt und sich um die Kirche herum angesiedelt hatten, dem eigentlichen Ursprung des Dorfes; das Elizondo der auf dem Dorfplatz rekrutierten Seeleute, die mit der Königlichen Handelsgesellschaft Gipuzkoa-Caracas nach Venezuela gefahren waren; das Elizondo, das nach einer verheerenden Überschwemmung wiederaufgebaut worden war. Sie hatte noch das Gemälde vor Augen, auf dem dargestellt war, wie der Tabernakel mit dem toten Vieh durch die Straße geschwemmt wurde und die Bewohner ihn später in die Höhe stemmten, überzeugt, dass es ein Zeichen gewesen war, dass Gott sie nicht verlassen hatte, dass sie weitermachen sollten; Männer und Frauen, die der Überlebenskampf geprägt hatte, die aufsahen, um den Himmel zu deuten, der mehr Bedrohung war als Schutz.
Sie ging die Santiago-Straße zurück und hinunter zum Javier-Ziga-Platz, betrat die Brücke und blieb in der Mitte stehen. Sie lehnte sich an die steinerne Brüstung, in der der Name eingemeißelt war: Muniartea, murmelte sie und strich mit den Fingern über den rauen Stein. Sie starrte aufs Schwarz des Wassers hinunter, das aus den Bergen kam. Ein mineralischer Geruch ging aus von diesem Fluss, der so viele Schrecken verbreitet, so viele Opfer gefordert hatte und in die Annalen Elizondos eingegangen war. In der Jaime-Urrutia-Straße war noch die Gedenktafel zu sehen, am Haus der Serora, der Haushälterin des Pfarrers, die Markierung, die anzeigte, wie hoch das Wasser im Juni 1913 gestiegen war. Und dieser Fluss war gerade wieder Zeuge eines Horrors geworden, eines Horrors, der nichts mit den Kräften der Natur zu tun hatte, sondern mit der Verderbtheit des Menschen. Menschen, die sich in Bestien verwandelten, in Unmenschen, die sich unter die Gerechten mischten, die sich anschlichen, um die abscheulichsten Taten zu begehen, die der Habgier freien Lauf ließen, dem Zorn, dem Hochmut und der Völlerei. Ein Wolf trieb sich herum, der nicht innehalten würde, der weitere Leichen zurücklassen würde an den Ufern des Baztán, an seinem kühlen Bett, in dem murmelnd das Wasser floss, an den sie zurückkehrte in ihren Träumen. Diesen Fluss hatte das Monster befleckt.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Sie nahm die Hände von dem kalten Stein, steckte sie in die Taschen und sah ein letztes
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