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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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würden, sobald er sie berührte. Dann suchte sie seine Hände und führte sie zu ihren Brüsten oder zu ihrer Hüfte. Wenn James sie küsste, spürte sie die Kraft eines Titanen, aber auch die Zärtlichkeit und den Respekt eines Mannes, der eine Frau liebt. James’ Berührungen folgten einem Muster, das so alt war wie die Welt selbst, das Liebende dazu bewegt, sich zu suchen und zu finden. James gehörte ihr, und sie gehörte James, so war es bestimmt. Mit ihm zu schlafen war wie ein Tanz, bei dem beide Tänzer gleichberechtigt waren. James liebkoste ihren Körper voll drängender Leidenschaft und doch ohne Eile. Er eroberte jeden Zentimeter ihrer Haut mit seinen wissenden Händen, mit seinen fiebrigen Küssen, die ihren Körper erschaudern ließen. Er nahm das Reich in Besitz, das ihm von Rechts wegen gehörte, in das er immer mit derselben Ehrerbietung zurückkehrte wie beim ersten Mal. Er ließ sie sein, wie sie war, hob sie auf seine Höhe, ohne sie zu zwingen. Und sie spürte, dass nichts auf der Welt wichtiger war als sie beide.
    Als sie hinterher erschöpft dalagen, betrachtete James liebevoll ihr Gesicht, suchte nach letzten Spuren ihrer Unruhe. Sie lächelte ihn an, und er lächelte zurück, aber irgendwie bedrückt, was Amaia noch nie an ihm wahrgenommen hatte. Normalerweise war er überaus vertrauensselig, auf diese etwas kindliche Art, wie sie für Amerikaner typisch war.
    »Alles okay?«
    »Ja. Und bei dir?«
    »Auch. Allerdings ist mir kalt«, klagte sie scheinbar schmollend. Er richtete sich auf und holte die Daunendecke, die auf den Boden gerutscht war, zurück aufs Bett. Dann zog er Amaia an seine Brust. Er wartete einige Sekunden ab, bis sich ihre Atmung beruhigt hatte.
    »Amaia, gestern …«
    »Keine Angst, mein Schatz, das war nur der Stress.«
    »Nein, Liebes, ich habe schon mehrmals erlebt, wie ein Fall dich bis an die Grenzen treibt, aber diesmal ist es anders. Und dann sind da noch diese Albträume, die dich inzwischen fast jede Nacht heimsuchen. Und das, was du gestern vor der Backstube gesagt hast.«
    Sie setzte sich auf, um ihn ansehen zu können.
    »Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, James, es ist alles okay. Dieser Fall macht mir eben zu schaffen, die toten Mädchen, und dann auch noch Fermín. Stress, reiner Stress, also nichts, was wir nicht schon öfter durchgemacht hätten.«
    Sie küsste ihn flüchtig auf die Lippen und glitt aus dem Bett.
    »Amaia, gestern habe ich in der Lenox-Klinik angerufen, um den Termin zu verschieben. Wie ich erfahren habe, hast du die ganze Behandlung abgesagt.«
    Sie sah ihn nur an.
    »Ich finde, du schuldest mir eine Erklärung, schließlich waren wir uns einig, dass wir es mit der künstlichen Befruchtung probieren wollten.«
    »Siehst du, genau das meine ich. Glaubst du wirklich, ich könnte mir bei all dem Stress auch noch darüber Gedanken machen? So hilfst du mir bestimmt nicht.«
    »Tut mir leid, Amaia, aber so einfach kommst du mir nicht davon, dafür ist mir die Sache zu wichtig. Und dir auch, dachte ich zumindest. Sag mir bitte klipp und klar: Willst du diese Behandlung, oder willst du sie nicht?«
    »Ich weiß es nicht, James.«
    »Ich glaube schon, dass du es weißt. Wieso hättest du sonst alles abgeblasen?«
    Sie setzte sich auf das Bett und begann, mit dem Finger Kreise auf der Decke zu zeichnen.
    »Ich weiß im Moment nicht, was ich dir sagen soll«, erklärte sie, ohne ihn anzusehen. »Ich dachte, ich wäre mir sicher. Aber in den letzten Tagen sind mir Zweifel gekommen, und diese Zweifel sind so stark geworden, dass ich jetzt nicht mehr weiß, ob ich unter diesen Umständen ein Kind kriegen will.«
    »Meinst du damit die künstliche Befruchtung oder uns?«
    »James, red nicht so einen Unsinn! Zwischen uns ist alles in Ordnung«, erwiderte sie beunruhigt.
    »Amaia, du lügst mich an, du verheimlichst mir Sachen, du sagst die Behandlung ab, ohne vorher mit mir zu sprechen, als wäre das Kind allein deine Angelegenheit. Behauptest du immer noch, dass mit uns alles in Ordnung ist?«
    Amaia stand auf und ging ins Bad.
    »Das ist nicht der richtige Moment, James, ich muss los.«
    »Gestern haben meine Eltern angerufen, sie lassen dich grüßen«, sagte er, bevor sie die Badezimmertür schloss.
    Die Westfords schienen sich ganz der Kampagne »Enkel her, koste es, was es wolle« verschrieben zu haben. Sie erinnerte sich gut, wie ihr Schwiegervater auf der Hochzeit einen Trinkspruch ausgegeben und seinen Wunsch nach Enkeln öffentlich

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