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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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kundgetan hatte. Als nach mehreren Ehejahren immer noch keine Kinder gekommen waren, hatte sich die offene Art ihrer Schwiegereltern in einen versteckten Vorwurf verwandelt, der James gegenüber wahrscheinlich weniger versteckt war. Amaia seufzte und stieg in die Dusche. Damit konnte sie sich jetzt nicht auch noch beschäftigen.

25
    A ls James Amaia kennenlernte, lebte er schon seit zwei Jahren in Pamplona. Sie war damals eine junge Polizistin in der Ausbildung und hatte die Galerie aufgesucht, in der er eine Ausstellung haben würde, um den Besitzer darüber zu informieren, dass es in der Gegend zu kleineren Diebstählen gekommen war. Er erinnerte sich noch, wie sie in Uniform neben seinem Freund gestanden und verzückt eine seiner Skulpturen betrachtet hatte. James hatte gerade über eine Kiste gebeugt dagestanden und mit der Verpackung seiner Werke gekämpft. Ohne sie aus den Augen zu lassen, richtete er sich auf, ging auf sie zu und überreichte ihr eine der Broschüren, die die Galerie für die Ausstellung hatte drucken lassen. Amaia nahm sie entgegen und bedankte sich achtlos. Und dann musste er auch noch frustriert mit ansehen, dass sie sie nicht einmal las oder auch nur einen Blick darauf warf, sondern einfach auf den Tisch neben dem Eingang legte, bevor sie die Galerie verließ. Zu seiner Überraschung kam sie am folgenden Samstag trotzdem zur Vernissage. Sie trug ein schwarzes Kleid, ihre Haare waren kunstvoll nach hinten frisiert und fielen ihr offen über die Schultern. Anfangs war er sich nicht einmal sicher, ob es sich um dieselbe Frau handelte, aber dann blieb sie vor derselben Skulptur stehen und sagte:
    »Seit ich sie neulich gesehen habe, ist sie mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.«
    »Dann geht es Ihnen so wie mir: Seit ich Sie neulich gesehen habe, sind Sie mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen«, hatte er erwidert und ihr damit ein Lächeln entlockt.
    »Witzig sind Sie schon mal, und geschickte Hände haben Sie auch. Was haben Sie sonst noch so drauf?«
    Nach der Vernissage waren sie durch Pamplona geschlendert und hatten über Gott und die Welt geplaudert. Um vier Uhr morgens hatte es plötzlich zu regnen begonnen. Sie wollten sich in eine Seitenstraße flüchten, aber ein heftiger Schauer zwang sie, unter einem engen Vordach Schutz zu suchen. Amaia zitterte unter ihrem dünnen Kleid, und er, ganz Gentleman, bot ihr seine Jacke an. Der Regen prasselte immer stärker, und sie drückten sich noch enger an die Hauswand. Er lächelte sie entschuldigend an, und sie bibberte vor Kälte und rückte an ihn heran.
    »Könntest du mich bitte in den Arm nehmen?«
    Er zog sie zu sich heran und legte seine Arme um sie. Plötzlich fing sie an zu lachen, und er sah sie überrascht an.
    »Worüber lachst du?«
    »Oh, nichts, ich dachte nur, es hat schon einen Wolkenbruch gebraucht, damit du mich umarmst, und jetzt frage ich mich, was passieren muss, damit du mich küsst.«
    »Amaia, ich mache alles, was du willst, du musst mich nur darum bitten.«
    »Dann küss mich!«

26
    D raußen schien es nicht Tag werden zu wollen. Der feine Regen, der seit dem Vorabend fiel, schluckte jedes Licht. Die durch den lang dauernden Winter immer noch kahlen Bäume wirkten noch dunkler als sonst. Amaia stand an der Fensterfront des Kommissariats, hielt ein Tasse Kaffee in ihren kalten Händen und fragte sich wieder einmal, wo Montes steckte. Sein dreister Ungehorsam hatte ein unvermutetes Ausmaß erreicht. Sie wusste, dass er ab und zu im Kommissariat auftauchte und mit Zabalza oder Iriarte plauderte, aber er hatte erneut keinen einzigen ihrer Anrufe erwidert, geschweige denn sich bei ihr blicken lassen. Bei Ros’ Verhör war er dabei gewesen, auch bei der Hausdurchsuchung, aber zur Versammlung am Morgen war er wieder nicht erschienen. Sie musste etwas unternehmen, aber allein der Gedanke, eine Beschwerde gegen Fermín Montes einzureichen, war ihr zuwider.
    Sie begriff nicht, was in ihm vorging. In den letzten Jahren hatten sie gut zusammengearbeitet, im letzten Jahr waren sie sogar so etwas wie Freunde geworden, als Fermín sich ihr offenbart und erzählt hatte, dass seine Frau ihn wegen eines Jüngeren verlassen hatte. Sie hatte ihm einfach zugehört und tunlichst vermieden, ihm in die Augen zu sehen, denn ihr war bewusst gewesen, dass ein Mann wie Montes nicht sein Unglück teilen wollte, sondern lediglich eine Beichte ablegen. Wie bei einem Bußakt zählte er seine Verfehlungen auf, die Gründe, warum sie ihn verlassen

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