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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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vor, dass einem ganz schwindlig werden kann. Trotzdem darf man ihm nicht Logik und gesunden Menschenverstand unterstellen, sondern muss eher von Engstirnigkeit ausgehen. Ich habe in Quantico viel über Serienmörder gelernt. Die erste Lektion lautet: Man kann sein Verhalten noch so sehr analysieren, er wird immer einen Schritt voraus sein und er ist immer für eine Überraschung gut. Ich glaube nicht an Hexen, aber vielleicht glaubt der Mörder ja an sie. Oder dass von jungen Mädchen etwas Böses ausgeht, zumindest lässt die Wahl seiner Opfer darauf schließen. Im Zusammenhang mit Anne Arbizu haben mehrere Personen etwas ausgesagt, was mich nachdenklich gemacht hat. Und das, was ich darüber gelesen habe, hat diesen Eindruck nur noch verstärkt.«
    Wie bei ihrer ersten Begegnung hatte Amaia das Gefühl, dass Angel Ostolaza es genoss, Teil der Ermittlungen zu sein. Sie hatte so etwas schon öfter erlebt und sich jedes Mal aufs Neue gewundert, wie jemand insgeheim stolz darauf sein konnte, mit einem brutalen Mord zu tun zu haben.
    »Anne Arbizu wurde am Montag umgebracht, richtig? An dem Tag rief Freddy mich an, weil er furchtbare Bauchschmerzen hatte. War nicht das erste Mal, müssen Sie wissen. Vor zwei Jahren hatte er ein Magengeschwür oder eine Gastritis oder so was, und seither hatte er immer wieder mal Probleme, vor allem nach dem Wochenende, wenn er zu viel getrunken und nichts gegessen hat. An jenem Sonntag hat er sich besonders heftig die Kante gegeben, also musste er am Montag den Preis dafür beahlen. Angerufen hat er mich gegen halb vier. Ich war noch auf der Arbeit und habe ihm geraten, zur Notfallambulanz zu fahren, aber Freddy geht nirgendwo allein hin, immer muss jemand mit, entweder Ros oder ich, also habe ich ihn nach Feierabend abgeholt und begleitet.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Ich arbeite immer bis sieben, muss also gegen halb acht gewesen sein.«
    »Wie lang waren Sie in der Ambulanz?«
    »Ewig, fast zwei Stunden. Es war rammelvoll, wegen der Grippewelle. Als wir endlich drankamen, war der arme Kerl fix und fertig. Die haben ihn untersucht und geröntgt und dann Nolotil gespritzt. Gegen elf waren wir wieder draußen, und weil Freddy keine Schmerzen mehr hatte, haben wir im Saioa was gegessen, Brötchen mit gebratenen Schweinelendchen, dazu eine Portion Patatas bravas.«
    »Freddy hat frittierte Kartoffeln gegessen, obwohl er gerade wegen schwerer Magenprobleme in der Notfallambulanz war?«, fragte Iriarte erstaunt.
    »Er hatte ja keine Schmerzen mehr. Und das Schlimmste, was man machen kann, ist nichts zu essen.«
    »Wie lange wart ihr in der Kneipe?«
    »Weiß nicht, ziemlich lang, bestimmt eine Stunde. Anschließend bin ich noch mit zu ihm nach Hause, und wir haben mit der Playstation gespielt, aber nur eine Runde, ich muss ja morgens früh raus.«
    Plötzlich ließ Angel den Kopf hängen und stieß so etwas wie ein Winseln aus. Iriarte war sofort klar, dass er weinte. Als Angel wieder aufsah, hatte er völlig die Fassung verloren.
    »Was soll denn nun werden? Er wird nie wieder gehen können, das hat er nicht verdient, er ist nämlich ein guter Kerl, verstehen Sie? Das hat er nicht verdient.«
    Er vergrub das Gesicht in den Händen und ließ seinen Tränen freien Lauf. Iriarte ging hinaus auf den Gang und kam kurz darauf mit einer Tasse Kaffee zurück, die er vor Angel auf den Tisch stellte.
    »Trinken Sie einen Schluck, dann können Sie gehen.«
    Nachdem Ostolaza den Raum verlassen hatte, sagte Iriarte:
    »Ich glaube, dass Angel die Wahrheit sagt. Das lässt sich ja auch leicht überprüfen. Die Notaufnahme hat bestimmt Überwachungskameras, und wenn die beiden dort waren und gefilmt wurden, haben sie ein Alibi. Sobald ich das überprüft habe, schicke ich Ihnen eine Mail. Und dem Comisario einen Bericht, der Freddy entlastet.«
    »Danke«, sagte Amaia. »Und ich fahre jetzt los und treffe mich mit den Bärenexperten.«

27
    F lora kochte sich einen Kaffee, setzte sich an ihren Schreibtisch und sah auf die Uhr. Punkt sechs. Die Mitarbeiter verabschiedeten sich voneinander und machten sich auf den Weg. Auch ihr winkten sie durch die Glastür zu, die angelehnt war, weil Flora noch Ernesto Murua zu sich gebeten hatte. Ernesto, der schon seit zehn Jahren bei ihr arbeitete, war der Chefkonditor und leitete die Backstube.
    Draußen hielt ein Lastwagen vor dem Laden, und kurz darauf stand Ernesto in der Tür und machte ein skeptisches Gesicht.
    »Flora, draußen ist ein Fahrer der

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