Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
technischen Gründen ausfallen, also weil ich vor Angst und Anspannung kein Auge würde zutun können. Nun aber fühlte ich mich im Gegenteil so sicher und entspannt, als habe mir jemand Schlafund Beruhigungsmittel verabreicht. Freddy Krueger vom Nachbarhaus gab sich offenbar alle Mühe, dass sein Opfer keinen Widerstand leistete. »Ich muss Juffin einiges fragen«, dachte ich im Halbschlaf. »Aber wozu eigentlich? Es ist sowieso alles klar.«
Diesmal kam mir mein Alptraum nicht so eklig vor. Ich verstand sehr gut, was ich träumte, und wusste, wer ich war, warum ich mich hier befand, worauf ich wartete und so weiter. Juffins Anwesenheit spürte ich zwar nicht, aber ich wusste um seine Gegenwart.
So träumte ich erneut, wie ein herrlich angerichteter Braten auf einem Büfett zu liegen. Meine Vorhänge waren von fremder Hand geöffnet worden, und nichts konnte mich vor dem Anblick des Nachbarhauses schützen. Mein Herz bebte vor Abscheu, als ich merkte, wie eine unsichtbare Hand mir schmerzhafte Muskelspritzen injizierte, doch ich hatte Kraft genug zum Widerstand und wurde erstaunlicherweise sogar wütend.
Natürlich konnte mir der Ärger allein nicht helfen, doch wer mochte wissen, was als Nächstes passieren würde! Auf alle Fälle packte ich diese Wut am Schopf, weil sie keine schlechte Alternative zur Angst war.
Irgendeine böse Kraft erlaubte mir nicht, ruhig in meinem Haus zu schlafen, für das ich doch Miete bezahlt hatte! Irgendein dämonisches Scheusal störte mich beim Ausruhen, und statt klarer Alpträume lagen mir vage Schreckensbilder bedrückend auf der Seele. Doch ich versuchte, mich gegen den Ansturm dämonischer Kräfte zu behaupten, so gut es ging.
»Prima, Max«, drang Juffins Stumme Rede in meinen inneren Kampf. »Du machst das wirklich gut, und es funktioniert! Jetzt versuch, ein wenig erschrocken zu sein. Deine Angst ist das beste Lockmittel. Wenn du keine Angst hast, lässt die seltsame Kraft dich und alles andere womöglich in Ruhe. Doch wir müssen das Geschöpf aus seiner Höhle locken. Tu darum so, als würdest du aufgeben.«
Das war leichter gesagt als getan! In diesem Moment hätte ich lieber alles um mich herum in Trümmer geschlagen. Mein Zorn war so groß, dass ich die widerliche Erstarrung, die mich zum schwächsten Geschöpf des Weltalls hatte werden lassen, beinahe überwunden hätte.
Eines aber war gut: Schon der Wunsch, erschrocken zu sein, führte dazu, dass alle Gespenster aus den weiten Regionen des Alptraums sich diensteifrig um mich versammelten. Ich brauchte mich bloß auf das dunkle Fensterdreieck des Nachbarhauses und den schmalen Sandpfad zu konzentrieren, der von dort seinen Ausgang nahm, und schon verwandelte sich mein Zorn in fast panische Angst. Um des Experiments, aber auch um meines psychischen Wohlergehens willen versuchte ich, wieder zornig zu werden. Und es klappte erneut! Die Möglichkeit, meine Stimmung im Handumdrehen zu wechseln, half mir sehr, denn so musste ich mich nicht auf einen der beiden üblen Zustände festlegen, konnte also ständig zwischen Angst und Zorn lavieren. Welch verführerische Alternative!
Letztendlich schaffte ich es, ein labiles Gleichgewicht zu erreichen: Ich hatte zwar Angst, doch sie ergriff mich nicht vollständig; ich war zwar zornig, vergaß dabei aber nicht meine Hilflosigkeit.
Dann kam wieder eine Hand voll Sand aus der Dunkelheit. Und wieder. Und wieder. Der schmale Pfad zwischen unseren Fenstern war jetzt viel länger als zuvor, und eine Ewigkeit schien vergangen. Dann protestierte mein Herz. Damit war ich völlig einverstanden. Zwar hätte ich weiterschlafen können, doch ich wollte nicht bis zum nächsten Tag warten, denn dann würden die Alpträume von neuem beginnen. Juffin wollte unbedingt einen Blick auf das Wirken des merkwürdigen Geschöpfs werfen. Ich beschloss, ihm dieses Vergnügen zu ermöglichen. Ich würde leiden, so viel ich konnte, und sogar ein wenig mehr. Wie bei einem Zahnarztbesuch.
Als sich der Sandpfad langsam durchs offene Fenster meinem Tisch näherte, auf dem sich ein hilfloser Haufen Angst und Ärger namens Max befand, spürte ich Erleichterung. Die Lösung des Rätsels rückte heran. Und wirklich: Am Fenster gegenüber erschien eine dunkle Silhouette, betrat den Sandpfad und näherte sich Schritt für Schritt. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters mit unauffälligen Gesichtszügen und leer glänzendem Blick.
Plötzlich begriff ich, dass ich keine Kontrolle mehr über die
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