Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
letzten Jahren in Zelle Nummer Fünf gestorben, Kurusch?«
Der verschlafene Vogel plusterte sich ein wenig auf und gab dann eine Bilanz zum Besten, die bis zum 225. Tag des 115. Jahres reichte, also bis zu dem Tag, an dem diese Geschichte spielt.
»Dosot Fer ist am 114. Tag des 112. Jahres in Zelle Fünf des Königlichen Cholomi-Gefängnisses gestorben genau wie Tolosot Liw am 209. Tag des 113. Jahres, Balok Sanr am 173. Tag des 114. Jahres, Civet Maron am 236. Tag des 114. Jahres, Acham Ann am 78. Tag des 115. Jahres und Sowaz Lowod am 184. Tag des 115. Jahres. Burada Isofs ist dort ebenfalls gestorben, und zwar am 224. Tag des 115. Jahres, wenn ich Sir Kofa richtig verstanden habe. Gibt mir noch jemand ein paar Nüsse?«, schloss Kurusch mit unerwartet inoffizieller Stimme.
»Natürlich, mein Lieber!«, sagte Juffin und begann sofort, in den Schubladen seines Schreibtischs nach Nüssen zu suchen, die dort reichlicher vorhanden waren als Geheimunterlagen. »Und du, Kofa, kümmerst dich jetzt um deine Aufgaben. Vielen Dank, dass du den Vorfall im Gefängnis erwähnt hast. Mal sehen, was sich da herausfinden lässt.«
Unser »Verfressener Meister des Verhörs« - diesen Spitznamen hatte er von Melifaro - nickte und verschwand im Halbdunkel des Korridors. Die Tür schloss sich geräuschlos, und ich erschauerte unter Sir Juffins kritischem Blick.
»Also, Max, willst du den Vorfall im Gefängnis untersuchen?«
»Wo soll ich denn anfangen?«
»Wir haben nur eine Chance: Du lässt dich in Cholomi inhaftieren. Dort bekommst du sicher jede Menge Scherereien, erlebst, wie es da zugeht, und kannst die Verhältnisse vor Ort mit eigenen Augen studieren. Diese Beobachtungen sollten dir ermöglichen, eine Ermittlungsstrategie zu entwickeln.«
»Ich? In Cholomi?«
»Wo denn sonst? Schließlich sterben die Leute dort und nicht bei dir zu Hause. Du fährst morgen. Und reg dich nicht so sehr darüber auf. Nach allem, was bisher passiert ist, brauchst du nicht lange auf weitere Entwicklungen zu warten. Ich bin fest überzeugt, dass niemand diese Sache besser erledigen kann als du.«
»Welche Sache denn? Im Gefängnis schmoren?«
»Das meine ich natürlich auch«, sagte Sir Juffin und lächelte genüsslich. »Was ist mit dir los, Max? Wo ist dein Humor geblieben?«
»Der muss irgendwo verloren gegangen sein. Ich geh ihn gleich mal suchen«, meinte ich und winkte vage ab, um zu zeigen, dass es um mich doch noch nicht so schlimm bestellt war.
»Hör mal, Max - früher oder später wäre das sowieso passiert...«
»Was meinen Sie damit? Dass man mich ins Gefängnis wirft?«
»Fang doch nicht immer wieder mit diesem Gefängnis an! Hier geht es um eine sehr ernste Sache. Früher oder später musst du zum ersten Mal allein arbeiten. Sei froh, dass du schon jetzt die Möglichkeit dazu bekommst. Hier handelt es sich nicht um einen Fall, der über Wohl und Wehe von Echo entscheidet. Und allzu kompliziert ist er offenbar auch nicht. Außerdem kann ich dir jederzeit helfen, obwohl ich überzeugt bin, dass du meine Hilfe nicht brauchen wirst. Im Übrigen, Max, hast du noch über vierundzwanzig Stunden Zeit, über den Fall nachzudenken und dein Vorgehen zu planen. Alles, was du brauchst, steht zu deiner Verfügung. Und heute Abend schiebst du keinen Dienst, sondern kommst mich besuchen. Es wird ein Abschiedsessen für den künftigen Gefangenen geben - mit allen kulinarischen Genüssen!«
»Vielen Dank, Juffin.«
»Nichts zu danken. So unangenehm dein Einsatz auch werden mag - wir lassen uns dadurch die Freundschaft nicht vermiesen.«
»Na ja - Sie könnten mir ja noch ein paar Tipps geben
»Das glaubst du doch hoffentlich selber nicht! Es geht nur darum, den künftigen Gefangenen mit einem Festmahl zu verabschieden.«
Mit diesen Worten trennten wir uns.
In der Hoffnung, endlich ein paar Hinweise darauf zu bekommen, was ich im Cholomi-Gefängnis eigentlich ausrichten sollte, ging ich am Abend zum Linken Flussufer, fürchtete aber, der alte Unhold Juffin würde mir nur einmal mehr erklären, ich hätte diesen Fall ganz allein zu lösen. Sicher würde er erneut sagen, ich sei nur zum Essen eingeladen, und wenn ich ihm eine Freude machen wolle, solle ich mächtig reinhauen. Und wenn ich dennoch nachzufragen wagte, würde er mir erklären, über die Arbeit hätten wir schon genug geredet.
Kimpa berichtete mir schon auf der Türschwelle, der Ehrwürdige Leiter habe das Abendessen persönlich zubereitet. Wie sich erwies, konnte Sir
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