Das Echo Labyrinth 05 - Einfache Zauberdinge
meine vom heiligen Wasser noch nasse Hand. Da ich fürchtete, die Platte könne herunterfallen, machte ich reflexartig eine Faust.
Zu meinem Erstaunen war die Platte eiskalt. Als ich die Hand wieder öffnete, stellte ich fest, dass sie verschwunden war - und mit ihr meine Handlinien! Noch auf der Erde hatte ich ein paar Broschüren über Chiromantie gelesen und war über diesen Verlust entsprechend erschüttert.
Dann erschien auf meiner makellosen Handfläche eine Zeichenfolge, wie ich sie noch nie gesehen hatte. In meinem Kopf vernahm ich ihre lautliche Umsetzung: »Ajot Mo Limli Nichor - der Herrscher von Fangachra.«
Der alte Fajriba hatte es geschafft, mir per Stummer Rede meinen vollen Königsnamen mitzuteilen, doch ich spürte, wie sehr ihn das angestrengt hatte. Auch mich hatte die Stumme Rede früher ungemein ermüdet, obwohl ich in Juffin Halli einen wunderbaren Lehrer gehabt und der Aufenthalt in Echo mir magische Kräfte verliehen hatte.
Mein Wirklicher Name kam mir ziemlich lang vor, und ich zweifelte, ob ich mich an ihn würde erinnern können. Auch die Zeichenfolge in meiner Handfläche konnte mir da wenig helfen. Doch um die Gefühle meiner Untertanen nicht zu verletzen, versagte ich es mir, Fajriba um Wiederholung zu bitten.
»Es ist vollbracht!«, rief der Alte.
»Es ist vollbracht!«, flüsterten seine Begleiter einander begeistert zu.
»Natürlich ist es vollbracht«, erklärte ich freundlich und ließ mich wieder im Schneidersitz auf der Schwelle nieder. »Und ich hoffe, auch der Fluch, von dem ihr mir vorhin erzählt habt, ist damit von euch genommen.«
Meine nomadischen Untertanen schwiegen, doch ihre Augen leuchteten, und ihre strengen Gesichter hatten einen so begeisterten Ausdruck bekommen, dass ich wohl darauf zählen durfte. Das war seltsam, da ich doch gar nicht Fangachra war - egal, welche mystischen Zeichen sich auf meiner Handfläche zeigen mochten.
Die Zeremonie stockte kurz, denn die Anwesenden erwarteten meine Befehle, und ich wusste nicht, was ich ihnen auftragen sollte. Zuerst wollte ich jedenfalls das Verhältnis zu meinem Volk klären. »Wie ihr wisst, bin ich in Echo unabkömmlich und daher glücklich darüber, dass Fajriba und Barcha euch in die Leeren Länder zurückbegleiten.«
Aufmerksam betrachtete ich meine beiden Vertreter, die ihrerseits das Kinn hoben, den Atem anhielten und wirkten, als seien sie einige Zentimeter gewachsen. Auch andere Mitglieder meines Volkes wirkten erleichtert: Dass der neue König den Status seiner alten Vertreter bestätigt hatte, stimmte alle zufrieden. Schön - ich war offenbar ein kluger Herrscher.
»Ich wünsche mir, dass ihr mein Volk glücklich macht«, sagte ich zu den beiden Auserwählten. »Ihr müsst mir von nun an alles berichten, was euch zustößt. Und weil ihr der Stummen Rede nicht wirklich mächtig seid, müsst ihr mir regelmäßig Boten schicken. Ich verspreche euch, sofort zu antworten. Wie lange braucht ein guter Reiter eigentlich von den Leeren Ländern bis nach Echo?«
»Vierzig Tage, wenn ihm kein Unglück widerfährt«, antwortete Barcha Batschoj.
»Das ist ja gar nicht lange«, log ich froh. Zwar war es leichtfertig, meine Gefühle so offen zu zeigen, aber ich war wirklich glücklich, meinen königlichen Pflichten nur selten nachkommen zu müssen.
»Wir haben Euch Geschenke mitgebracht, Fangachra«, sagte der alte Fajriba. »Unsere Sitten verlangen, dass sie unter vier Augen übergeben werden müssen. Aber wenn Ihr die Freude mit Euren Gästen teilen wollt, habe ich nichts dagegen.«
»Warum sollten wir gegen die alten Sitten verstoßen? Es ist sogar besser, Geschenke unter vier Augen zu übergeben. Aber jetzt muss ich den übrigen Gästen etwas Aufmerksamkeit widmen. Bringt eure Geschenke darum besser ins Büchermagazin, also in das große Zimmer auf der rechten Seite des Flurs. Die Diener sollen euch den Weg zeigen. Ich komme gleich nach.«
Die Nomaden nahmen ihre Reisetaschen und zogen ab. Mindestens zehn Diener schienen sich um sie zu kümmern. Die Großzügigkeit von König Gurig war grenzenlos, doch seine Vorstellungen von meinen Bedürfnissen entsprachen ganz und gar nicht der Realität.
Ich war sehr angetan von der Idee, meine exaltierten Untertanen in einen anderen Raum zu lotsen, um sie von der übrigen Festgesellschaft zu trennen, denn ich glaubte nicht, dass sie eine gemeinsame Sprache mit anderen Provinzfürsten des Vereinigten Königreichs oder mit Vertretern aus dem Ausland finden
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