Das Echo
»Ich habe auch ein Taxi genommen.«
»Von der Farringdon Street?«
»Nein, von der Fleet Street.« Er nahm seine Brille ab und begann die Gläser mit dem Saum seines Bademantels zu putzen.
»Ein schwarzes Taxi oder ein Minicar?«
»Ich habe von der Redaktion aus ein Minicar angerufen. Reg Linden ließ mich vom Empfang aus telefonieren.«
»Und mußten Sie auch im voraus bezahlen?«
»Ja.«
»Gut, dann besten Dank für Ihre Hilfe, Sir. Ich finde schon hinaus.«
»Nein, ich bringe Sie«, sagte Barry mit einem seltsamen kleinen Lachen. »Nicht daß Sie in die falsche Richtung gehen, Sergeant, und meine Mutter wecken.«
Deacon fuhr durch das Tor in den Hof und parkte im Windschatten der roten Backsteinmauer, die die Einfahrt begrenzte. Das Tosen des Verkehrs auf der Schnellstraße wurde von der Mauer gedämpft, und das Haus döste in der Wintersonne, die auf ihrer Fahrt nach Norden hinter den Wolken hervorgekommen war. Er blickte am Haus hinauf, um zu sehen, ob ihre Ankunft bemerkt worden war, doch an keinem der Fenster bewegte sich etwas. Vor der Außentür zur Küche stand ein Auto, das er nicht kannte (er vermutete richtig, daß es der Pflegerin gehörte, die im Haus lebte), sonst sah alles genauso aus wie an dem Tag vor fünf Jahren, als er aus dem Haus gestürmt war und sich geschworen hatte, nie wieder zurückzukehren.
»Na, komm schon«, sagte Terry, als Deacon sich nicht von der Stelle rührte. »Gehen wir rein oder nicht?«
»Oder nicht, wahrscheinlich.«
»Mensch, soviel Schiß kannst du doch nicht haben. Ich passe schon auf, daß der alte Drachen dich nicht beißt.«
Deacon lächelte. »Na schön. Gehen wir.« Er öffnete die Autotür. »Reg dich nur nicht auf, wenn sie pampig zu dir ist, Terry. Oder jedenfalls nicht gleich. Halt die Klappe, bis wir wieder im Auto sitzen. Abgemacht?«
»Und wenn sie zu dir pampig ist?«
»Gilt das gleiche. Als ich das letztemal hier war, bin ich so wütend geworden, daß ich beinahe alles kurz und klein geschlagen hätte, und ich will nie wieder so außer mir geraten.« Er ging auf die Küchentür zu, während er sich an die Episode erinnerte. »Wut tötet, Terry. Sie zerstört alles, was sie erfaßt, auch den, der sie hervorbringt.«
»Sieht so aus, als hätten wir unsere Feuerteufel«, sagte Harrisons Partner, als er eine Stunde später wieder in die Dienststelle kam. »Drei Schweine namens Grebe, Daniels und Sharpe. Sie haben noch nach Benzin gestunken, als sie vor einer halben Stunde festgenommen worden sind. Daniels hat den Fehler gemacht, sich vor seiner Freundin mit der Tat zu brüsten. Er meint, er und seine Kumpel hätten dem ganzen Viertel einen Dienst damit erwiesen, daß sie diese unerwünschten Elemente beseitigt haben. Daraufhin hat sie uns angerufen. Sie sagt, Daniels hätte von der Sache am Freitag in der Lagerhalle gehört und wär’ letzte Nacht hingegangen, um sie abzufackeln. Er ist der Meinung, die Obdachlosen seien samt und sonders der letzte Dreck, und sagt, er würde nicht tatenlos zusehen, wie diese Typen die Straßen im East End verseuchen. Reizend, nicht?«
»Und ich habe soeben sechs Stunden damit vertan, Terry Dalton hinterherzuhecheln«, sagte Harrison sauer, »und bin dabei auf den sonderbarsten Typen gestoßen, den man je in Camden gesehen hat.« Er schüttelte sich schaudernd. »Weißt du, an wen er mich erinnert hat? An Richard Attenborough als Christie in dem Film Rillington Place 10 . Das ganze Haus hat mich an eine verdammte Filmkulisse erinnert.«
»Wer ist Christie?«
»Ein widerlicher Perverser, der Frauen umgebracht hat, um es dann mit den Leichen zu treiben. Weißt du eigentlich gar nichts?«
»Ach, der Christie«, sagte sein Partner.
Die Pflegerin war eine sympathische Irin mit weichem grauem Haar und einer fülligen Figur. Auf Deacons Klopfen öffnete sie die Küchentür und bat ihn und Terry mit einem herzlichen Willkommenslächeln ins Haus. »Ich kenne Sie von den Fotos«, sagte sie zu Deacon und wischte sich die bemehlten Hände an ihrer Schürze ab. »Sie sind Michael.« Sie gab ihm die Hand. »Ich bin Siobhan O’Brady.«
»Guten Tag, Siobhan.« Er drehte sich nach Terry um, der sich hinter ihm versteckte. »Das ist mein Freund Terry Dalton.«
»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Terry.« Sie legte dem Jungen einen Arm um die Schultern und zog ihn herein, ehe sie die Tür schloß. »Möchten Sie nach der Fahrt eine Tasse Tee?«
Deacon nahm dankend an, Terry jedoch schien sich von ihrer
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