Das Echo
hatten. Sie hatte behauptet, es wäre das schlimmste Erlebnis ihres Lebens gewesen, und hatte nie wieder ein Wort mit ihm gesprochen.
»Du bist kein Sonderfall«, sagte er tröstend. »Für die meisten Männer ist das erstemal ziemlich demütigend. So, und was ist nun heute morgen passiert? Warum bist du zu Amanda Powell gefahren?«
Die Geschichte war wirr, aber es gelang Deacon, einiges zu begreifen. Nach der demütigenden Erfahrung bei der Prostituierten hatte sich Barrys ganzer Zorn, der Fatima hätte gelten müssen - oder sogar Glen -, auf Amanda konzentriert. (Dahinter steckte eine merkwürdige Logik. Er hatte Aufnahmen von ihr betrachtet, als Glen ihn ungesunder Praktiken beschuldigt hatte, und in seiner Phantasie hatte sie die Gestalt einer schamlosen Verführerin angenommen.)
Hätte er weniger von ihr gewußt, so wäre das nicht weiter schlimm gewesen, aber sein Interesse an Billy Blake und James Streeter hatte ihn veranlaßt, eine ganze Akte mit Zeitungsausschnitten über sie anzulegen. Was genau ihn getrieben hatte, zu ihrem Haus zu fahren, um eine Konfrontation mit ihr herbeizuführen, war nicht klar, es schien jedoch seinen Ursprung in seiner heillosen Verwirrung darüber zu haben, ob er den Sexualakt als lustvoll oder abstoßend empfunden hatte. Er wäre überhaupt nicht hinausgefahren, hätten Deacon und Terry ihn nicht am Samstag abend mit Alkohol abgefüllt. Volltrunken hatte er ihnen nachgewunken, als sie im Taxi davongefahren waren, hatte sich dann seinerseits ein Taxi bestellt und dem Fahrer befohlen, ihn zum Thamesbank Estate zu bringen.
Er war sich jetzt nicht mehr sicher, was er eigentlich vorgehabt hatte - keinesfalls hatte er erwartet, in ihrem Haus noch Licht zu sehen -, aber es hatte damit geendet, daß er um zwei Uhr morgens in ihrem Garten gestanden und durch das Fenster, dessen Vorhänge nicht zugezogen waren, zugesehen hatte, wie sie und ein Mann sich auf dem Teppich in ihrem Wohnzimmer geliebt hatten. (Deacon fragte, ob er den Mann erkannt habe, aber Barry verneinte. Interessanterweise beschrieb er ihn sehr genau, während er Amanda kaum erwähnte.)
»Es war aufregend«, sagte er einfach.
Ja, dachte Deacon, das war es sicher gewesen. »Aber du hättest das nicht tun dürfen«, sagte er. »Ich bin nicht sicher, ob man dich wegen Voyeurismus belangen kann, ganz sicher aber wegen unbefugten Betretens eines fremden Grundstücks und unzüchtigen Verhaltens. Warum bist du heute morgen überhaupt noch mal hingefahren? Es war hellichter Tag, da mußtest du doch damit rechnen, daß dich jemand beobachtet.«
Die einfache Erklärung war: Barry hatte in der Nacht den Umschlag mit den Fotografien auf die Erde gelegt (um die Hände frei zu haben, vermutete Deacon) und dort vergessen. Die komplexere Erklärung schien mit seiner quälenden Ambivalenz gegenüber seiner Mutter zu tun zu haben (»Ich will nicht wieder nach Hause«, sagte er immer wieder), seiner Liebe zu seinem Vater, an die er sich schwach erinnerte, und einem Verlangen, das er nur halb begriff, noch einmal die frühere Erregung zu erleben. Doch das Haus war unverkennbar leer gewesen, und die erwünschte Erregung hatte er sich nur verschaffen können, indem er Amandas Bild besudelte. »Ich schäme mich so«, sagte er. »Ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Es ist einfach - passiert.«
»Also, wenn du meine Meinung hören willst - es ist gut, daß die Polizei dich erwischt hat«, erklärte Deacon unumwunden. »Vielleicht war das eine nützliche Lektion für dich. Hör mal, du hast viel zuviel auf dem Kasten, um als schmutziger kleiner Spanner zu enden. Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich stelle fest, in deinem Leben gibt es ein paar Gebiete, auf denen du schleunigst Ordnung schaffen mußt. Erstens, mach dich unabhängig von deiner Mutter, und zweitens, setz dich mit deiner Sexualität auseinander. Es ist doch blödsinnig, deinen Zorn gegen die Frauen zu richten, nur weil du Männer vorziehst, Barry.«
Barry schüttelte hilflos den Kopf. »Mein Gott, was würde meine Mutter dazu sagen?«
»Eine ganze Menge bestimmt, wenn du dumm genug bist, es ihr zu erzählen.« Deacon gab ihm einen Klaps auf den Rücken. »Du bist ein erwachsener Mann, Barry. Es wird Zeit, daß du dich wie einer benimmst.« Er lächelte. »Wie hattest du’s dir denn gedacht? Wolltest du ihren Tod abwarten, um dann endlich der Mensch zu werden, der du wirklich bist?«
»Ja.«
»Das ist kein guter Plan. Dieser Mensch wäre lange vor ihr tot.« Er stand
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