Das Echo
Deacon, der gerade mit dem Whisky kam.
»Das freut mich«, meinte der, stellte das Glas vor Lawrence auf den Tisch und nahm sein eigenes. »Ich überlege nämlich schon die ganze Zeit, was ich Ihnen schenken könnte, und der Gartenzwerg würde uns doch nicht fehlen, oder, Terry?«
»Mike findet ihn affenscheußlich«, erklärte der Junge und holte den Zwerg herunter. »Wahrscheinlich, weil ich ihn aus’nem Garten geklaut hab’. Hier, er ist für Sie, Lawrence. Fröhliche Weihnachten, Kumpel.«
Deacon lachte schadenfroh. »Wissen Sie was, wenn Sie in Ihrem Wohnzimmer einen Kaminsims haben, müssen Sie ihn unbedingt da aufstellen. Wie Terry schon sagte, ein paar Farbkleckse im Zimmer können nie schaden.« Er prostete Lawrence zu.
Lawrence stellte den Zwerg auf den Tisch. »Ich bin überwältigt von soviel Großzügigkeit«, sagte er. »Erst ein Mittagessen und dann noch ein Geschenk. Womit habe ich das verdient? Meine Geschenke sind so bescheiden im Vergleich dazu.«
Deacon hatte das unangenehme Gefühl, daß der alte Gauner sie tief beschämen würde.
»Können wir sie jetzt aufmachen?« fragte Terry.
»Natürlich. Deins ist das größte, Barrys ist das im roten Papier, für Mike ist das grüne.«
Terry reichte Deacon und Barry ihre Päckchen und riß das seine auf.
»Scheiße!« rief er ungläubig. »Was sagst du dazu, Mike?« Er hielt eine abgetragene lederne Bomberjacke mit Lammfellkragen und den Insignien der Royal Air Force auf der Brusttasche hoch. »Die kosten unten in Covent Garden ein Schweinegeld.«
Deacon runzelte die Stirn, als der Junge in die Jacke schlüpfte, dann sah er den alten Mann mit einem fragenden Blick an, der sagen sollte: Sind Sie sicher? Lawrence nickte. »So was würdest du in Covent Garden nie finden«, sagte Deacon darauf. »Das ist ein Original. Was sind Sie geflogen?« fragte er. »Spitfires?«
Lawrence nickte wieder. »Aber das ist lange her, und die Jacke sucht schon seit vielen Jahren jemanden, der sie trägt.« Er sah Barry an, der unschlüssig sein Päckchen auf seinem Schoß hielt. »Wollen Sie es nicht aufmachen, Barry?«
»Ich habe nichts erwartet«, sagte Barry scheu.
»Dann ist es eine doppelte Überraschung. Bitte. Ich bin so gespannt, ob es Ihnen gefällt.«
Vorsichtig, wie das seiner Art entsprach, entfernte Barry das Klebeband und schlug behutsam das Papier auseinander. Darunter kam, in Seidenpapier gehüllt, eine Brownie-Boxkamera zum Vorschein. »Aber die ist ja noch von vor dem Krieg«, sagte er staunend, während er sie zaghaft in den Händen drehte. »Die kann ich unmöglich annehmen.«
Lawrence hob protestierend seine mageren Hände. »Sie müssen. Wer so wie Sie auf Anhieb das Alter eines Fotoapparats nennen kann, sollte ihn auch haben.« Er wandte sich Deacon zu. »Jetzt sind Sie an der Reihe, Michael.«
»Ich bin genauso in Verlegenheit wie Barry.«
» Ich bin hingerissen von meinem Gartenzwerg.« Er zwinkerte verschmitzt. »Und ich werde genau das tun, was Sie vorgeschlagen haben. Ich stelle ihn auf den Kaminsims im Wohnzimmer. Er wird sich neben meiner Meißner Porzellansammlung sicher prächtig ausnehmen.«
Deacon unterdrückte ein Lachen und schälte sein Geschenk aus der Verpackung. Er wußte nicht, ob er erleichtert oder betroffen sein sollte; wenn das Geschenk auch keinen materiellen Wert besaß, war sein ideeller Wert doch ungeheuer. Er blätterte in den eng beschriebenen Seiten eines Tagebuchs, das viele Jahre von Lawrence’ Leben umfaßte. »Ich fühle mich tief geehrt«, sagte er schlicht, »aber es wäre mir lieber gewesen, Sie hätten es mir als Andenken in Ihrem Testament vermacht.«
»Dann hätte ich gar nichts davon. Ich möchte, daß Sie es lesen, solange ich noch lebe, Michael, damit ich jemanden habe, mit dem ich von Zeit zu Zeit alten Erinnerungen nachhängen kann. Ich war absolut egoistisch bei der Wahl meines Geschenks.«
Deacon schüttelte den Kopf. »Sie haben meine Seele doch schon gekidnappt, Sie alter Schurke. Was wollen Sie denn noch?«
Lawrence griff mit der zerbrechlichen Hand nach der seinen. »Einen Sohn, der für meine Seele das Kaddisch spricht.«
Der Verwesungsgeruch, der ihnen wie eine stinkende Flutwelle aus dem Inneren des Hauses von Amanda Powell entgegenbrandete, als sie die Haustür aufbrachen, ließ die Polizeibeamten taumelnd zurückweichen. So massiv und aufdringlich war der Gestank, daß er in Augen und Nasen brannte und Mägen in Aufruhr brachte. Jede Pore des Hauses schien Fäulnis zu
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