Das Echo
Ufer mit abwärts gesenktem Daumen ein Zeichen. Es war ein farbloses und zugleich schönes Bild. Grauer Himmel über grauem Wasser, die Umrisse des Boots schwarz vor einer weißen Wintersonne. Ehe Harrison ihn daran hindern konnte, hatte Deacon seinen Apparat gehoben und den Moment für die Nachwelt festgehalten. »Nichts im Leben ist häßlich«, sagte er, das Objektiv auf Amanda richtend, »wenn man es nicht so sehen will.«
»Warten Sie, bis wir James rausziehen. Dann werden Sie anders reden.« Er bot Deacon eine Zigarette an. »Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung, daß de Vriess sie damals informierte«, sagte er, die Hand um das brennende Streichholz gekrümmt. »Nur wußte sie damals nicht, von wem die Information kam. Er schickte ihr eine Fotokopie des ursprünglichen Beschlusses der Bank, eine interne Untersuchung anzuleiern, und darin wurde James als Verdächtiger erwähnt. Sie traf am Freitag morgen, dem siebenundzwanzigsten April, ein, und Amanda war danach den ganzen Tag in Panik.« Er hielt inne, um seine eigene Zigarette anzuzünden. »Sie wollte eigentlich am Abend zu ihrer Mutter fahren, aber sie rief James in seinem Büro an und bat ihn, sie hier, bei der Schule, um sechs Uhr zu treffen, allem Anschein nach, um ein oder zwei Fragen zu besprechen, die sich bei den Umbauplänen ergeben hatten. Sie behauptet, sie hätte nur die Wahrheit herausfinden wollen, aber aus dem Gespräch wurde ein handfester Krach, als James damit zu prahlen begann, wie schlau er gewesen sei. Sie befanden sich im Schulgebäude, und sie stieß ihn eine Treppe hinunter. Sie glaubt, er hat sich bei dem Sturz das Genick gebrochen.«
Er brach ab, als ein zweiter Taucher an die Oberfläche kam. »Sie sagt, die Leiche sei unter dem Plankenweg eingeklemmt. Es war die erste Bauphase. Man hatte ihnen zur Auflage gemacht, den alten Treidelpfad wiederherzurichten, wenn sie das Schulhaus umbauen wollten. Es wurden Pfähle eingerammt, die den Plankenweg tragen sollten, und sie hat James hinter ihnen ins Wasser gestoßen.«
»An einem Aprilabend um sechs Uhr?« fragte Deacon ungläubig. »Da muß es doch noch taghell gewesen sein.«
»Sie hat es nicht gleich getan.« Harrison zog tief an seiner Zigarette, die er hinter seinem hochgeklappten Revers vor dem Wind schützte. »Sie ließ James tot am Fuß der Treppe liegen und fuhr völlig unter Schock nach Kent. Sie erwartete, daß dort schon die Polizei auf sie warten würde. Als das nicht der Fall war, beruhigte sie sich langsam, und ihr wurde klar, daß sie entweder den Mord gestehen oder die Leiche verschwinden lassen mußte. Sie fuhr um zwei Uhr morgens hierher zurück, während ihre Mutter fest schlief, und tat alles Notwendige.«
Deacon beobachtete Amanda, während Harrison sprach. »Wie? Sie ist kein Arnold Schwarzenegger, und dunkel war es auch noch.«
»Sie ist eine sehr umsichtige Frau«, sagte Harrison. »Sie hatte aus dem Haus ihrer Mutter eine Taschenlampe mitgenommen. Soweit ich verstanden habe, wälzte sie den Leichnam auf eine alte Tür und baute dann unter ihr einen Stapel Ytongsteine auf, bis die Tür sich soweit gehoben hatte, daß sie die Leiche in einen Schubkarren rutschen lassen konnte. Eigentlich wollte sie sie vom Plankenweg aus in den Fluß kippen. Sie hoffte, wenn die Leiche stromabwärts angespült werden würde, würde man glauben, James sei verunglückt. Aber sie war müde und hatte den Schubkarren nicht richtig im Griff. Das ganze Ding kippte über diese Seite des Plankenwegs.« Er wies zu den Büschen auf der linken Seite. »Vor fünf Jahren war da durch die Ufererosion noch eine zwei Meter breite Spalte. Anstatt sich nochmals das ganze Theater mit der Tür und den Ytongsteinen anzutun, stieß sie die Leiche mit dem Kopf durch die Spalte und verließ sich darauf, daß sie durch die Strömung in den Fluß hinausgezogen werden würde.«
»Aber so war es nicht?« fragte Deacon, als Harrison nicht weitersprach.
Harrison zuckte die Achseln. »Er ist nie angespült worden. Sie glaubt deshalb, daß der Leichnam an einem der Pfähle hängengeblieben ist und später unter dem Schutt und dem Zement begraben wurde, den die Bauarbeiter hineingekippt haben, um die Spalten an den Seiten des Plankenwegs zu füllen.«
»Hätten die aber die Leiche nicht bemerkt?«
»Sie sagt, sie sei am Montag morgen noch einmal hier gewesen und habe nachgesehen, aber es sei keine Spur von der Leiche zu entdecken gewesen. Danach glaubte sie, es sei nur eine Frage der Zeit, bis jemand
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