Das Echo
bei ihr anklopfen und ihr mitteilen würde, daß James nicht getürmt, sondern seit Wochen tot sei.«
»Aber das ist nie geschehen?«
»Nein. Sie hatte ein Schweineglück.«
»Wenn er unter einer Tonne Schutt und Zement liegt, was hoffen die Taucher dann überhaupt zu finden?«
»Ganz egal - irgendwas, das beweist, daß sie die Wahrheit sagt. Sie achten besonders auf Metallgegenstände, seine Rolex, Gürtelschließe, Knöpfe, Reißverschluß. Wenn sie so was an Land ziehen, fangen wir an zu graben und sehen, ob wir das Skelett des armen Kerls finden.«
Deacon sah wieder zu Amanda hinüber. »Warum sollte sie nicht die Wahrheit sagen?«
»Niemand versteht, wieso sie sich plötzlich entschlossen hat, reinen Tisch zu machen. Sie hat alle Chancen, um eine Anklage wegen Mordes an Nigel de Vriess herumzukommen, weil Barrys Aussage, daß er sie vergewaltigt hat, ihr erlaubt, Notwehr geltend zu machen. Wir versuchen noch, einen Beweis für Vorsatz zu finden, aber wir haben bisher keinen Erfolg. Es gibt keine Aufzeichnungen irgendwelcher Telefongespräche, niemand hat ihren Wagen in Dover gesehen, und wenn de Vriess je in Sway war, so ist er niemandem dort aufgefallen.« Er wies zum Fluß hinunter. »Wieso also macht sie uns dieses Geschenk? Was glaubt sie, damit zu erreichen?«
»Ein ruhiges Gewissen?« meinte Deacon.
Harrison ließ seinen Stummel ins Gras fallen und trat ihn aus. »Sie sind ein Romantiker, Mike. Wir befinden uns im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, die Menschen haben kein Gewissen mehr. Statt dessen haben sie schlaue Anwälte. Glauben Sie im Ernst, Amanda hätte die Sache mit James je gestanden, wenn sie nicht des Mordes an Nigel de Vriess angeklagt worden wäre?« Er schüttelte den Kopf. »Der Druck auf sie, über James’ Verschwinden Auskunft zu geben, ist immer stärker geworden, und sie kann sich nicht zwei separate Prozesse für zwei separate Morde leisten. Einmal würde sie vielleicht freigesprochen werden, aber bestimmt nicht zweimal, und das letzte, was sie braucht, ist, daß wir James ausgraben, nachdem sie bei de Vriess vielleicht mit Notwehr davongekommen ist. Ich wette, von James wird nicht mehr viel übrig sein, um festzustellen, wie er umgekommen ist, und sie möchte vor ihrem Prozeß sicher sein, daß nicht weitere Anklagen warten. Tolles Gewissen.«
Deacon antwortete nicht gleich, und sie sahen eine Weile schweigend den eifrigen Aktivitäten im Fluß zu. »Wie hat sie erfahren, daß Nigel ihr die Fotokopie über die Unterschlagungen geschickt hat?« fragte er dann.
»Er rief nach James’ Verschwinden an, um ihr seine Teilnahme auszusprechen, und da erwähnte er es. Er sagte, er hätte sie vor James’ möglicher Verhaftung warnen wollen, hätte es aber wegen seiner Position im Vorstand nicht offiziell tun können. Sie bestreitet Ihre Theorie, daß er sie in der Hand hatte«, fuhr er fort. »Sie sagt, Nigel habe nichts von James’ Tod gewußt, und behauptet, die Beziehung zwischen ihnen sei stets freundschaftlicher Natur gewesen, bis er sich an dem fraglichen Abend in ihr Haus drängte und sie vergewaltigte.«
Deacon ließ ein gedämpftes Lachen hören, das vom Wind weggefegt wurde. »Sie kann gar nichts anderes sagen, wenn sie Notwehr geltend machen will.«
Harrison musterte ihn scharf. »Wieso sind Sie so erpicht darauf zu beweisen, daß es das nicht war?«
»Das bin ich gar nicht mehr.«
»Ich verstehe nicht.«
Deacon trat seinen Zigarettenstummel aus. »Mich interessiert nur ihr Eingeständnis, daß sie James getötet hat. Was Nigel anbetrifft, meine ich, er hat bekommen, was er verdiente, ob er sie nun einmal oder hundertmal vergewaltigt hat.«
»Aber Sie sind sicher, es war das letztere.«
»Ja.« Er schob seine Hände in seine Taschen. »Ich glaube, er hatte die Macht über ihren Leib und ihre Seele, weil er wußte, daß sie ihren Mann ermordet hatte. Ich habe mit Lawrence’ Partner gesprochen, und er bezeichnet de Vriess als Vieh. Er sagt, Nigel hätte überhaupt keine Skrupel gehabt, eine Frau zu mißbrauchen, gegen die er etwas in der Hand hatte.« Er zog amüsiert eine Augenbraue hoch. »Hören Sie, es muß doch einen Grund für den Mord an dem Kerl gegeben haben. Sie glauben vielleicht, daß sie zwei Männer versehentlich aus Notwehr getötet hat, ich glaube es nicht. Meiner Ansicht nach hat sie die letzten fünf Jahre überlegt, wie sie Nigel loswerden könnte, und als dann John Streeter sie anrief, um ihr eine Änderung der Taktik mitzuteilen, war das
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