Das Echo
nicht anzeigen würde? Herrgott noch mal, er hatte alles zu verlieren, wenn sie Vergewaltigung geschrien hätte, sobald er aus dem Haus war.
Gruß, Mike
The Street, Fleet Street, London EC4
Amanda Powell
Strafvollzugsanstalt
1X Parkhurst Road
Holloway
London N7ONU
15. Januar 1996
Liebe Amanda,
ich habe keine Ahnung, ob Billys Auffassung
von Hölle und Verdammnis Gültigkeit besitzt.
Er beschrieb das Fegefeuer als »einen Ort ewiger Verzweiflung, von dem die Liebe abwesend ist«. Er sah es jedoch nicht als eine Ewigkeit der Unwissenheit, sondern als eine Ewigkeit schrecklicher Bewußtheit. Die verdammte Seele weiß, daß die Liebe existiert, ist jedoch auf ewig verdammt, ohne sie zu existieren. Ich glaube, diese Vision hat ihn so tief erschreckt, daß er, als Billy Blake, es sich zur Aufgabe machte, Sünder vor den Gefahren ungesühnter Schuld zu bewahren.
Für andere hielt er seine Hände ins Feuer oder setzte sich bitterer Kälte aus. Für Sie ist er gestorben. Das heißt nicht, daß Sie seinen Tod auf dem Gewissen haben müssen; er wollte ja den Tod. Ohne ihn hätte er keine Hoffnung gehabt, seine geliebte Frau Verity aus der Einsamkeit des Abgrunds der Hölle zu erretten, in den sie, als Selbstmörderin, verbannt worden war. Er war überzeugt, daß es eine Erlösung aus diesem schrecklichen Ort nur durch göttliches Mitleid gebe, und hoffte, wenn er ein bußfertiges Leben führe, ehe er sich aus eigenem Willen dem Tod hingebe, könne er das Wunder vollbringen und Verity mit Hilfe eines gnädig eingreifenden Gottes aus der Hölle erlösen.
Man kann vorbringen, sein Geist sei durch Schock, Schmerz, Alkoholmißbrauch und dauernde Unterernährung völlig verwirrt gewesen. Gewiß ist, daß einige seiner Freunde glauben, er sei schizophren gewesen. Aber ich stimme dem zu, was Sie bei unserer ersten Begegnung sagten. »Unsere Gesellschaft befindet sich in tiefen Schwierigkeiten, wenn wir das Leben eines Menschen für so wertlos halten, daß die Art seines Sterbens das einzig Interessante an ihm ist.« Billys Wert lag in den Anstrengungen, die er unternahm, Sie zu erlösen; der einzige Grund nämlich, warum er Sie aufsuchte, war sein Bestreben, Sie davon zu überzeugen, in diesem Leben für den Mord an James zu bezahlen und Ihr Leiden nicht in die Ewigkeit zu verschieben.
Das Ironische ist, daß Sie bereit waren, einem Verwahrlosten, um den niemand trauerte, im Tod die Würde zu geben, die Sie James verwehrt haben, und vielleicht war es das, worauf es Billy von Anfang an angekommen ist. Immerhin hat es mich zu Ihnen geführt. Billy muß gewußt haben, daß der lange Fußmarsch nach Andover mitten in einem heißen Sommer, um von Nigel de Vriess Ihre Adresse zu erfragen (wobei allerdings Nigel zu der Zeit im Ausland war und Fiona ihm sagte, wo Sie zu finden waren), seine letzten Kraftreserven aufzehren würde. Das bedeutete, daß sein Tod in Ihrer Garage die unausweichliche Folge seines Handelns sein würde. Er hätte, wie Sie selbst sagten, Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen oder aus Ihrer Tiefkühltruhe essen können, aber er tat nichts von beidem; er stillte nur seinen Durst mit Eiswürfeln und starb. Es ging ihm nicht darum, Sie zu richten - er war ja selbst ein Mörder -, es ging ihm einzig darum, Sie an diesen anderen Menschen zu erinnern, der unbeerdigt und unbetrauert geblieben war.
Ich lege eine Zusammenfassung der Ereignisse, wie sie sich meiner Vermutung nach abgespielt haben, bei, die ich an Sergeant Greg Harrison geschickt habe. Billys Rolle bei diesen Vorgängen habe ich weggelassen, weil er sich damals nicht gemeldet hat, und ich bezweifle, daß die Polizei auf das Zeugnis eines Toten etwas geben wird. Aber ich bin überzeugt, er hat im Schatten gestanden und zugesehen, wie Sie James getötet haben. Nachbarn in Teddington erinnern sich an einen Penner, der in der alten Schule hauste, und Tom Beale aus der Lagerhalle hat mir erzählt, daß Billy einmal erwähnte, »flußaufwärts von Richmond gehaust zu haben«, ehe er zur Isle of Dogs weiterzog.
Sie werden vielleicht fragen, warum er sich nicht schon früher auf die Suche nach Ihnen gemacht hat. Die Antwort ist einfach: Er kannte Sie nur als Amanda Streeter, die Frau, die die Schule gekauft hatte, in der er seinen Schlafplatz hatte. Als Sie Ihren Mädchennamen wieder annahmen und umzogen, verlor er Sie aus den Augen, bis er eines Tages Ihren Namen in Verbindung mit dem Nigel de Vriess’ las. Doch die wahre Antwort ist, daß er noch nicht
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