Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
bereit war. Eine alte Frau hat einmal mit mir über Selbstmord gesprochen. Sie sagte: »Haben Sie bedacht, daß auf der anderen Seite vielleicht jemand auf Sie wartet und Sie noch gar nicht bereit sind, ihm gegenüberzutreten?« Billy begriff, glaube ich, besser als jeder andere, daß er bereit sein mußte, und er bereitete sich durch Leiden vor. Er sagte immer, er hätte noch nicht genug gelitten.
    Ich habe nicht die Absicht, mehr zu tun, als ich bereits getan habe - nämlich die Ausübung der Gerechtigkeit den Behörden zu überlassen -, jedoch werde ich den Streeters sagen, daß ihr Sohn in der Tat ermordet wurde. Keiner von uns ist nur schlecht, Amanda, und jeder von uns verdient, betrauert zu werden. Billys Erlösung überlasse ich Ihnen. Meine persönliche Ansicht ist, daß es keinen Unterschied macht, ob er verrückt war oder nicht. Er war überzeugt, daß der Mensch sich Gottes mitfühlene Gnade verdient, wenn er eine andere Seele errettet.
    Sie forderten mich auf zu beweisen, daß Billys Leben einen Wert besaß, aber ich bin sicher, Sie wissen jetzt, daß Sie der einzige Mensch sind, der das tun kann. Es liegt in Ihrer Hand, ob Sie, indem Sie für Ihre eigene Schuld sühnen, auch ihn und Verity erlösen.
    Mit den besten Wünschen
    Michael Deacon
    PS.: Bitte glauben Sie nicht, daß hinter diesem Brief auch nur ein Anflug von Feindschaft steht. Ich habe Sie immer gemocht.
    Metropolitan Police Isle of Dogs
    Faxnachricht
    Datum: 19.1.96, 16.18 Uhr
    Von: Sergeant Greg Harrison
    An: Michael Deacon
    Amanda Powell hat den Mord an James gestanden. Wir beginnen morgen um 8.30 Uhr mit der Suche in der Themse. Ich sehe Sie in Teddington.
    Greg

21
    Als Deacon um die Ecke des umgebauten Schulhauses bog, mußte er an seinen ersten Besuch in der Lagerhalle im alten Hafen von London denken. Dies war eine ebenso triste Landschaft, belebt von Menschen in formlosen, dunklen Wintermänteln. Ein paar Männer standen zu einer Gruppe zusammengedrängt einige Schritte vom Flußufer entfernt und blickten, die Mantelkrägen gegen den schneidenden Wind hochgeklappt, auf das graue Wasser hinaus. Sie waren jünger und konventioneller gekleidet, doch ihre Gesichter wirkten in der Kälte nicht weniger verfroren als damals die Gesichter der Penner aus der Lagerhalle. Auf dem Wasser wippten die Köpfe von Polizisten in Taucheranzügen neben einem Boot, das sich der Strömung entgegenstemmte. Es lag nur wenige Meter von dem etwa sechs Meter breiten Rasengürtel der Uferböschung entfernt. Er wurde am unteren Ende durch einen Treidelpfad aus Holzplanken begrenzt, der sich an der Front des Anwesens entlangzog. Der Rasen war mit Blumenbeeten und Büschen gestaltet, die so gruppiert waren, daß sie den Blick auf das Wasser umrahmten, und Deacon fragte sich, ob dies Amanda vorgeschwebt hatte, als sie die Pläne für den Umbau entworfen hatte.
    Plötzlich bemerkte er sie. Ganz in Schwarz stand sie mit einer Gefängnisbeamtin etwas abseits und blickte so angespannt zum Fluß hinaus wie die Polizeibeamten. Sie drehte den Kopf, als er sich über den Rasen näherte, und mit einem schwachen Lächeln des Erkennens hoben sich ihre Mundwinkel leicht. Grüßend hob sie eine Hand und senkte sie gleich wieder, aus Angst vielleicht, menschlicher Anteilnahme nicht mehr würdig zu sein. Er erwiderte den Gruß mit gleicher Geste.
    Sergeant Harrison löste sich aus der Gruppe von Männern, um ihn an einem näheren Kontakt mit Amanda zu hindern. Er warf einen Blick auf den Fotoapparat in Deacons Hand und schüttelte den Kopf. »Keine Fotos diesmal«, sagte er.
    »Nur eines«, bat Deacon mit einer Kopfbewegung zu der Frau. »Für meine persönliche Sammlung, nicht zur Veröffentlichung. Sie sieht toll aus in Schwarz.«
    »Kein Wunder«, versetzte der Sergeant. »Sie tötet das Männchen nach der Paarung.«
    »Heißt das Ja oder Nein?«
    Er zuckte die Achseln. »Es heißt, auf Ihre eigene Verantwortung. Die Frau ist gefährlich, Mike.«
    Deacon lachte. »Sie sind doch ein gestandener Mann. Haben Sie nie Lust gehabt, ein bißchen was zu riskieren? Glauben Sie nicht, daß die männliche Schwarze Witwe dafür, daß sie gegessen wird, den besten Sex ihres Lebens bekommt?«
    »Zumindest den einzigen Sex in ihrem Leben«, entgegnete Harrison säuerlich. »Im übrigen wird sie sowieso ein häßliches altes Weib sein, wenn sie ihre lebenslängliche Strafe abgesessen hat.«
    Ein Taucher hob seinen glänzenden, seehundähnlichen Kopf aus dem Wasser und gab den Beobachtern am

Weitere Kostenlose Bücher