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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Sie sind zu vernünftig, um gegen Ihre eigenen Interessen zu handeln, darum mangelt es Ihrem Leben an Spontaneität. Sie werden in den Ketten sterben, die Sie sich selbst geschmiedet haben.
    IRVINE: Sie wurden wegen Diebstahls verhaftet. Haben Sie damit nicht gegen Ihre eigenen Interessen gehandelt?
    BLAKE: Ich war hungrig.
    IRVINE: Sie finden es vernünftig, im Gefängnis zu sitzen?
    BLAKE: Es ist kalt draußen.
    IRVINE: Sagen Sie mir mehr über die Ketten, die ich mir selbst geschmiedet habe.
    BLAKE: Es sind geistige Ketten. Sie passen sich den Verhaltensmustern an, die andere Ihnen vorschreiben. Sie werden niemals das tun, was Sie tun wollen, weil der Wille des Stammes stärker ist als Ihr eigener.
    IRVINE: Aber Sie sagten eben, Ihr Geist sei ebenso eingeschränkt wie meiner, Billy, und Sie sind kein Konformist. Wenn Sie einer wären, säßen Sie nicht im Gefängnis.
    BLAKE: Gefängnishäftlinge sind die allergewissenhaftesten Konformisten, sonst würden in Einrichtungen wie dieser ständig Rebellion und Aufruhr toben.
    IRVINE: Das meine ich nicht. Sie scheinen mir ein gebildeter Mann zu sein, dennoch führen Sie das Leben eines Ausgestoßenen. Ist die Einsamkeit der Straße der konventionelleren Existenz mit Heim und Familie vorzuziehen?
    BLAKE: (Lange Pause) Ich muß den Begriff verstehen, ehe ich die Frage beantworten kann. Wie definieren Sie Heim und Familie, Doktor?
    IRVINE: Das Heim sind die Ziegel und der Mörtel, die Ihrer Familie - Frau und Kindern - Geborgenheit bieten. Es ist ein Ort, den die meisten von uns lieben, weil dort die Menschen leben, die wir lieben.
    BLAKE: Dann habe ich einen solchen Ort nicht zurückgelassen, als ich wegging.
    IRVINE: Was haben Sie zurückgelassen?
    BLAKE: Nichts. Ich trage alles bei mir.
    IRVINE: Erinnerungen, meinen Sie?
    BLAKE: Mich interessiert nur die Gegenwart. Die Art, wie wir unsere Gegenwart leben, bestimmt unsere Vergangenheit und unsere Zukunft.
    IRVINE: Mit anderen Worten, Freude an der Gegenwart erzeugt erfreuliche Erinnerungen und eine optimistische Sicht in die Zukunft.
    BLAKE: Ja. Wenn es das ist, was man wünscht.
    IRVINE: Wünschen Sie das denn nicht?
    BLAKE: Freude ist auch so ein Begriff, der mir unverständlich ist. Ein Mittelloser freut sich über eine Kippe im Rinnstein, ein Reicher findet sie eklig. Mir genügt es, in Frieden zu leben.
    IRVINE: Hilft Ihnen das Trinken dabei, diesen Frieden zu erreichen?
    BLAKE: Es ist ein schneller Weg ins Vergessen, und ich würde Vergessen als Frieden bezeichnen.
    IRVINE: Sie mögen Ihre Erinnerungen nicht?
    BLAKE: (Gibt keine Antwort)
    IRVINE: Können Sie sich für mich eine böse Erinnerung ins Gedächtnis rufen?
    BLAKE: Ich habe Erfrorene in der Gosse gefunden, und ich habe zugesehen, wie Menschen eines gewaltsamen Todes starben, weil der Zorn andere zum Wahnsinn getrieben hatte. Der menschliche Geist ist so zerbrechlich, daß jede mächtige Emotion seine inneren Gebote umstürzen kann.
    IRVINE: Ich bin mehr an Erinnerungen von Ihnen aus der Zeit interessiert, bevor Sie zum Vagabunden wurden.
    BLAKE: (Gibt keine Antwort)
    IRVINE: Halten Sie es für möglich, daß man von der Art Wahnsinn gesundet, die Sie eben beschrieben haben?
    BLAKE: Sprechen Sie von Rehabilitation oder Erlösung?
    IRVINE: Von beidem. Glauben Sie an die Erlösung?
    BLAKE: Ich glaube an die Hölle. Nicht an das Höllenfeuer und die Folter der Inquisition, sondern an die eisige Hölle ewiger Verzweiflung, in der es keine Liebe gibt. Es ist schwer vorstellbar, wie Erlösung bis zu einem solchen Ort vordringen soll, wenn Gott nicht existiert. Nur eine göttliche Hand kann eine Seele retten, die dazu verdammt ist, auf ewig in der Einsamkeit des Abgrunds der Hölle zu existieren.
    IRVINE: Glauben Sie an Gott?
    BLAKE: Ich glaube, daß in jedem von uns die Möglichkeit des Göttlichen steckt. Wenn Erlösung möglich ist, dann kann sie nur im Hier und Jetzt erfolgen. Sie und ich werden nach den Bemühungen gerichtet werden, die wir unternehmen, die Seele eines anderen vor der ewigen Verzweiflung zu retten.
    IRVINE: Liegt in der Rettung einer anderen Seele der Schlüssel zum Himmel?
    BLAKE: (Gibt keine Antwort)
    IRVINE: Können wir uns die Erlösung selbst verdienen?
    BLAKE: Nicht, wenn wir andere im Stich lassen.
    IRVINE: Wer wird uns richten?
    BLAKE: Wir richten uns selbst. Unsere Zukunft, ob jetzt oder im Jenseits, wird durch unsere Gegenwart bestimmt.
    IRVINE: Haben Sie jemanden im Stich gelassen, Billy?
    BLAKE: (Gibt keine Antwort)
    IRVINE: Ich

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