Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Trümmer, Granattrichter und herabhängende Straßenbahnoberleitungen. Unter den Bahnunterführungen in der Yorkstraße parkten Stoßstange an Stoßstange die Troß-Fahrzeuge der Panzerdivision «Müncheberg». Beherzte Soldaten steuerten bereits in Brand geschossene Lastwagen in die Nebenstraßen, bevor sie dann explodierten.
Der Tiefbunker im Innenhof des heutigen Bezirksamtes Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz war vollbesetzt mit Stäben, Verwundeten, einem Notlazarett und zahlreichen Frauen mit Kindern aus der Umgehung. Einige Mütter brachten hier Babys zur Welt. Wir alle atmeten auf. Der Bunker war bombensicher, es brannte elektrisches Licht, die Wasserhähne liefen, wir konnten uns waschen, es gab zum ersten Mal seit Tagen für uns eine warme Suppe, und wir fielen auf den Matratzen sofort in den Tiefschlaf.
Artur Axmann 1913–1996
Berlin
Am 25. April 1945 standen Einheiten der Roten Armee in Zehlendorf, Schlachtensee und Nikolassee und drangen auf die westliche Innenstadtvor. Bald hatten sie auch die Heerstraße und den Kaiserdamm erreicht, wo unsere Dienststelle lag. Rechtzeitig hatte der Chef unseres Organisationsamtes, Otto Würschinger, Einheiten aus Führern und Jungen der HJ zur Abwehr des Angriffs in Stellung gebracht. [...] Der erste Ansturm der Sowjets konnte abgeschlagen werden. Auf unserer Seite gab es die ersten Toten und Verwundeten. Der Stammführer Schlichting fiel aus. Otto Würschinger übernahm selbst das Kommando. Bannführer Moses wurde schwer verwundet. [...]
Als ich mich in meinem Arbeitszimmer aufhielt, klingelte das Telefon. Die Fernsprechleitung war noch intakt. Ein Anruf aus dem Führerbunker. Am Apparat sprach Staatssekretär Dr. Naumann. «Was ist denn bei Ihnen los?» fragte er unter dem Eindruck des Lärmens und Krachens bei uns, das er durch die Muschel vernahm. Ich erklärte ihm unsere Lage. «Sie können unmöglich dortbleiben. Ich melde mich wieder.» Der Rückruf kam bald. Er hatte inzwischen mit Hitler gesprochen und teilte mir mit, daß ich meinen Gefechtsstand in der Partei-Kanzlei aufschlagen sollte. Das war im Regierungsviertel, Wilhelmstraße 64, schräg gegenüber vom Führerbunker. Unsere Verwundeten und Mädel konnten wir nicht in der Dienststelle lassen. Wir nahmen sie mit.
Julia Tremayne *1903
Insel Sark
Ich wäre so gern in London und möchte wissen, ob es sehr zerstört ist und sich verändert hat. Wir haben auch erfahren, daß sich unsere Armeen vereinigt haben und Berlin eingekesselt ist. Wenn das wahr sein sollte, kann das Ende nicht mehr fern sein.
Lagebesprechung
Berlin/Führerbunker
Hitler: Ich habe gesagt: Die Dinge liegen nicht so, daß ich etwa hier unten in Süddeutschland eine völlig stabile Front habe und ein Glacis besitze und nur aus purem Eigensinn Berlin nicht verlassen will. Ich sehe, wie die Entwicklung geht. Alle meine Versuche, auf die Taktik einzuwirken, sind einfach vergeblich Bei der Verteidigung des Rheinlandes wie auch an anderen Stellen sind wahnsinnige und katastrophale Fehler gemacht worden. Alle Pläne, die ich ausarbeitete, scheiterten einfach daran, daß ihnen auf Grund von Eigenmächtigkeiten der unteren Befehlshaber immer wieder der Boden entzogen wurde.
*
Der US-Lieutenant Albert L. Kotzebue †1987
an der Elbe
Der Beginn unseres Zusammentreffens verlief sehr förmlich. Wir tauschten Grüße aus und gaben einander die Hand. Ich erklärte Oberleutnant Goloborodko durch meinen Dolmetscher Kowalski, wir seien eine amerikanische Patrouille [...] und hätten den Auftrag, ein Treffen der amerikanischen und russischen Befehlshaber so bald wie möglich zu arrangieren. Es war 12.30 Uhr. [...]
Innerhalb weniger Augenblicke wurden wir lockerer, lächelten und machten uns gegenseitig Komplimente. Während wir auf den Regimentskommandeur warteten, gruppierte uns der russische Bildreporter, um einige Aufnahmen zu machen.
Der Befehlsstand war in einem großen Bauernhof untergebracht. Auf einem Tisch war ein kaltes Büfett angerichtet. In jedem von uns lebte der festliche «Geist der Elbe», der Geist der Kameradschaft, des Gedenkens an die Opfer auf beiden Seiten, des Glücks und der Erleichterung, daß der Krieg bald zu Ende sein würde. Generalmajor Wladimir Russakow traf bald ein. Wir stießen auf den verstorbenen Präsidenten Roosevelt an, auf Präsident Truman, Premierminister Churchill, Marschall Stalin und auf «immerwährende Freundschaft» zwischen uns allen.
Der Rotarmist Alexander Olschanski
an der Elbe
Als wir uns
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