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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Amerikanern,daß man unter Umständen doch mit einem Nazi-Deutschland eventuell dieser ganzen Gefahr würde doch noch entgegentreten können. Und der einzige Mann hierfür bin nun einmal ich.
    *
    Der Kapitänleutnant
    Franz Kuhlmann 1905 –1989
Stralsund – Berlin
    Nach längerem Flug erkannten wir unter uns die Hauptstadt, unfehlbar auszumachen an den Bränden und dunklen Glutmassen, die teils noch von den letzten Fliegerangriffen, teils aber auch wohl von den neuerlichen Bombenabwürfen der Russen herrührten. Es war ein schauriges Bild mit apokalyptischen Zügen.
    Aus irgendwelchen Gründen konnte der Pilot die Landung nicht sofort wagen, schließlich klappte es dann doch. Wir rutschten aus dem Flugzeug auf die Rollbahn und kullerten wild durcheinander. In demselben Augenblick erscholl ein lautes und scharfes Kommando: Volle Deckung! In die Bunker!
    Wir sahen in der Nähe einen riesigen Betonbunker, den wir im Laufschritt erreichten. Im Bunker war die militärische Flugleitung untergebracht. [...]
    Nach einigem Warten erschien ein SS-Sturmbannführer. Er begrüßte mich und sagte, er habe den Auftrag, uns in den Zoo-Bunker zu führen. Auf meinen Einwand, ich hätte Befehl, mich sofort in die Reichskanzlei zu begeben, bemerkte er ein wenig herablassend: «Na, das überlassen Sie mir. Sie werden schon an die richtige Stelle kommen.» Wir marschierten dann mit ihm in Richtung Osten, der Heerstraße zu, wurden aber immer wieder gezwungen, Deckung zu nehmen, da der Himmel voll von russischen Jägern war.
    Unser SS-Führer begleitete mich zum Gefechtsstand Mohnke, der sich in einem der Bunkerräume unter der Reichskanzlei befand. Er sagte mir, ich möge mich beim General melden; er selbst verschwand dann. SS-General Mohnke, der Kommandant der Zitadelle, war an unserem Eintreffen offensichtlich sehr interessiert, wie ich überhaupt von jetzt an feststellen konnte, daß man uns allenthalben eine Aufmerksamkeit und ein Interesse entgegenbrachte, das in gar keinem Verhältnis stand zu der Kampfkraft, die von uns zu erwarten war. Er erkundigte sich sehr genau nach Zahl, Bewaffnung und Ausbildung meiner Soldaten, war offensichtlich angetan davon, da es sich um Offiziersanwärter handelte, während ihn die mangelhafte Ausrüstung meiner Einheit wohl enttäuschte.Im ganzen gab er sich wohlwollend und leutselig, bis ich die Dummheit machte und ihm sagte, daß ich Befehl hätte, mich bei Hitler persönlich zu melden. Da verwandelte sich sein freundlicher Ton plötzlich: er sagte, das wäre ja noch schöner, wenn sich hier jeder kleine Kommandeur persönlich beim Führer melden wollte.
    Ich erhielt von Mohnke Anweisung, meine Soldaten zunächst einmal in den Kellerräumen des Auswärtigen Amtes unterzubringen, uns einsatzbereit zu halten und weitere Befehle abzuwarten. [...]
    In den nächsten Stunden blieben wir völlig unbeachtet und unbehelligt. Das war umso erstaunlicher, als das Feuer, das auf der Reichskanzlei lag, immer heftiger wurde, und die Soldaten der Roten Armee – wie wir durch Ordonnanzen erfuhren – überall in ihrem Vordringen auf die Zitadelle Fortschritte machten. Ich glaube, es war eine Nacht vergangen, als ich durch meinen Adjutanten dringend ans Telefon geholt wurde. Am Apparat war Admiral Voß, der Großadmiral Dönitz im Führerbunker vertrat. In ungnädigem Ton sagte er zu mir: «Ich erfahre soeben, daß Sie schon längere Zeit hier sind. Sie hatten doch Befehl, sich sofort nach ihrer Ankunft beim Führer zu melden. Warum haben Sie den Befehl nicht ausgeführt?» Ich erklärte ihm, daß ich zunächst zu Brigadeführer Mohnke geführt worden sei, der aber habe eine Meldung beim Führer geradezu für absurd gehalten. Darauf Voß: «Aha! Na, kommen Sie sofort herunter in den Führerbunker! Ich erwarte Sie an der Eingangstreppe.»
    Ich machte mich sofort auf den Weg. Man stieg aus einem Kellerfenster des Auswärtigen Amtes auf einen Hof, mußte ein Stück Gartengelände überqueren, das sehr stark unter feindlichem Feuer lag, konnte dann aber durch Nebeneingänge hinabsteigen in das unterirdische Labyrinth, das den Führerbunker und den großen Bunker unter der Reichskanzlei verband. Ich war in voller Kriegsmontur, hatte den Stahlhelm auf, die Maschinenpistole umgehängt usw. und war sehr erstaunt, wie leicht es für mich war, so vollbewaffnet bis zu Hitler vorzudringen. Bei den Posten genügte meine Erklärung: «Ich bin zum Führer bestellt.»
    Admiral Voß empfing mich an der Treppe, die in den

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