Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Oliver machte seine ersten Kocherfahrungen als Kind in der Küche des Pubs seiner Eltern. Er schnitt Gemüse, half bei der Zubereitung der Mahlzeiten und begann auch selbst zu kochen. Der Umgang mit Grundnahrungsmitteln wurde für ihn so früh zur Selbstverständlichkeit. Seine Erfahrungen versucht er heute im Rahmen von Aufklärungsprojekten an Kinder in Großbritannien und den USA weiterzugeben. Seine Bemühungen dokumentiert er in TV -Beiträgen. In einer dieser Sendungen besucht Oliver eine amerikanische Grundschule mit einem Korb voller Lebensmittel. Er zeigt den Kindern eine Aubergine, Tomaten, Kartoffeln und fragt sie, was das wohl sein könnte. Die Kinder wissen es nicht. Die ersten Nahrungsmittel, die sie erkennen, sind Pommes frites und Hamburger. Olivers Aufklärungskampagne erinnert ein wenig an Don Quichotte, den »Ritter von der traurigen Gestalt«. Jamie Oliver versucht Eltern das Kochen nahezubringen, die noch nie gekocht haben und sich und ihre Kinder ausschließlich mit Fertigprodukten ernähren. Er wünscht sich die Erfahrung einer Esskultur für Kinder, die in ihren Mensen nur Fingerfood serviert bekommen, weil in manchen US -Schulen das Benutzen von Besteck wegen der Verletzungsrisiken nicht erlaubt ist. Und er möchte Kindern, die in ihrem Leben noch nie eine Kartoffel oder Tomate gesehen oder gegessen haben, die Formen, Farben, den Geruch und den Geschmack von frischem Gemüse vermitteln. Jamie Olivers Engagement stößt immer wieder auf Vorbehalte und auf Ablehnung – bei Eltern, Schulbehörden oder Politikern wie dem britischen Gesundheitsminister, der Olivers Kochkampagnen in Schulen kürzlich für gescheitert erklärte. Man kann die Methoden des medienversierten Kochs kritisieren, aber im Kern hat Oliver das Problem erkannt. Was er einfordert, ist nichts anderes als eine metabolische Erziehung für unsere Kinder. Und ich würde sogar so weit gehen, das Recht auf Bildung auf metabolisches Wissen auszudehnen. So wie wir unsere Kinder ihre Muttersprache, Mathematik und Naturwissenschaften lehren, so müssen wir auch ihren Umgang mit Nahrung und ihren Brain-Pull schulen.
Der Stoffwechsel ist wie unser Immunsystem oder das Nervensystem auf Herausforderung, Verfeinerung und Entwicklung angewiesen. Indem wir als Kind Infekte durchmachen, bilden wir ein »Immun-Gedächtnis« aus und verbessern damit unsere Abwehrkräfte. Alles, was wir begreifen, erklettern, erkunden, trainiert unser Nervensystem. Niemand wird bestreiten, dass diese kindlichen Erfahrungen wichtig für die persönliche Entwicklung sind. Wenn das Gleiche aber auch für unseren Stoffwechsel gilt, ergibt sich daraus, dass jeder Mensch neben einer sozialen, intellektuellen, kreativen und motorischen Erziehung auch Grundkenntnisse im Umgang mit Nahrung vermittelt bekommen sollte. Und dabei geht es nicht nur um das bloße Erkennen und Benennen von Gemüsesorten, sondern um die Erweiterung unseres aufs Essen bezogenen »Stoffwechselwissens«, das sich in der Programmierung des Brain-Pulls spiegelt. Eine solche metabolische Erziehung führt dazu, dass sich Ernährungsbewusstsein, Gehirn- und Körperstoffwechsel möglichst optimal ausbilden können. Auf diese Weise könnte man die Gefahr, Kinder mit der Bürde von Übergewicht und den daraus resultierenden Erkrankungen zu belasten, reduzieren.
Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Das war schon immer so, und schon immer war es schwierig, die Frage zu beantworten, was das wohl sein könnte – »das Beste« oder wenigstens »das Richtige«? Die Situation, in der sich Eltern heute befinden, ist nicht einfach. Mancher mag sogar das Gefühl haben, einer Art babylonischem Stimmengewirr ausgesetzt zu sein: Aus allen Richtungen prasseln Ratschläge auf uns ein, jede Stimme hat eine andere Botschaft, und es fällt vielen Eltern immer schwerer zu erfassen, worin ihre eigentliche Aufgabe besteht. Das gilt für die verschiedensten Erziehungsbereiche genauso wie für die Frage, welche Form der Ernährung für unsere Kinder die richtige ist. Glauben wir der Food-Industrie, dann gibt es Süßigkeiten, in denen lebenswichtige Vitamine oder Mineralstoffe stecken, und Fertiggerichte, die eine vollwertige Mahlzeit ersetzen können. Folgen wir manchen Fachärzten und Medikamentenforschern, lassen sich Aufmerksamkeitsdefizite bei Kindern mit Psychopharmaka behandeln und beheben. Für die Befürworter von internetgestützter Kommunikation stellt der intensive Umgang mit dem PC eine entscheidende
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