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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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mit der Universitätskinderklinik und der Fachhochschule Lübeck haben wir ein Kindergartenprojekt ins Leben gerufen: »Lektionen des Essens«. Ein Lernziel ist dabei die spielerische Erkundung von Nahrungsmitteln. Kleinkinder lernen beispielsweise ein Stück Tomate sinnlich zu erfahren und von einem Stück Apfel zu unterscheiden. Das führt zu einer Art Geschmacks-Memory, um die Fähigkeit zu schulen, Nahrung zu schmecken, zu erkennen, zuzuordnen. Für das Projekt arbeitet eine Ökotrophologin, die sich besonders in Kindergärten engagiert, die in Stadtteilen liegen, in denen viele Familien mit niedrigerem sozioökonomischen Status leben. Hier mangelt es erfahrungsgemäß zu Hause oft nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern auch am Bewusstsein für eine Ernährung mit frischem Obst und Gemüse.
    Wie können Familien besser essen?

    Wie essen wir als Familie? Welche Rituale haben wir? Wie viele Mahlzeiten nehmen wir wirklich gemeinsam ein? Führen wir dabei Gespräche über den Tag oder lassen wir uns vom Fernsehen unterhalten? Wie viel Zeit widmen wir den gemeinsamen Mahlzeiten? Welche Regeln vermitteln wir unseren Kindern beim Essen? Essen wir überhaupt noch zusammen? Gemeinsame Mahlzeiten sind nicht nur eine schöne familiäre Form des Essens, sondern auch eine wichtige Lernzeit für Kinder. Und dabei geht es nicht nur um klassische Tischregeln, sondern um Sozialisation – also um die Fähigkeiten, besser und integrierter in einer Gemeinschaft zu leben. Wie soziales und metabolisches Lernen beim Essen aussehen kann, soll ein Beispiel aus Afrika deutlich machen. Eine Schulkantine im Niger: 13 Mädchen unterschiedlichen Alters sitzen um eine große Schüssel mit Hirsebrei, dem wichtigsten Grundnahrungsmittel des Landes. Behutsam nehmen die Mädchen mit den Fingerspitzen den Brei bröckchenweise aus der Schüssel und führen jeden Bissen langsam zum Mund. Was Westeuropäern wie eine seltsame, vielleicht sogar unzivilisierte Form der Nahrungsaufnahme anmutet, unterliegt in Wahrheit strengen Regeln. Gegessen wird ausschließlich mit der rechten Hand. Die Finger dürfen aus hygienischen Gründen nur die Nahrung berühren, aber niemals den Mund. Niemand drängelt, keiner würde den letzten Bissen ohne die Einwilligung der Gruppe für sich beanspruchen oder gar versuchen, sich durch schnelles Essen einen Vorteil zu verschaffen. Wenn eines der jüngeren Mädchen einen Fehler macht, wird es von den älteren korrigiert. Nicht einmal das direkte Anschauen des Gegenübers ist gestattet. Es könnte sonst der Eindruck von Missgunst oder Futterneid entstehen.
    Hinter dieser Situation des gemeinsamen Essens und Teilens steht ein komplexer Lernvorgang, bei dem die Nahrungsaufnahme mit sozialen Verhaltensmustern verknüpft wird. Die Entscheidung, Nahrung mit einem oder mehreren Menschen zu teilen, wird in den höheren Hirnregionen getroffen. Dabei spielen der Präfrontale Kortex und die Amygdala erneut eine wesentliche Rolle. Wenn man selbst hungrig ist und auf Essen verzichtet, um jemand anderen an der Mahlzeit teilhaben zu lassen, erfordert dies die Aktivierung des Brain-Pulls, damit die Hirnversorgung gesichert bleibt. Die Brain-Pull-Reaktion wird unter diesen Umständen in erster Linie von der Amygdala koordiniert. Und hier wird auch das physiologische Reaktionsmuster – ich teile und werde durch soziales Feedback belohnt – in Form des metabolischen Gedächtnisses erlernt und verfestigt. Das kindliche Gehirn erwirbt so die Fähigkeit, seine Energieversorgung flexibel an gesellschaftliche Umstände anzupassen, statt nur den eigenen Futtervorteil zu sichern.
    Gemeinsame Mahlzeiten und das Teilen von Nahrung stellen in allen Kulturen, nicht nur in afrikanischen, einen wichtigen Sozialisierungsprozess für Kinder dar. Auf kognitiver Ebene lernen sie dabei Benimmregeln, die es ihnen später ermöglichen werden, Mahlzeiten mit fremden Menschen einzunehmen, ohne sich dabei unsicher zu fühlen oder zu blamieren. Kinder lernen auf diese Weise außerdem Zurückhaltung – sich zu beherrschen, obwohl sie Hunger verspüren. Indem jeder darauf achtet, dass die anderen nicht zu kurz kommen, entsteht Respekt, das Einfühlungsvermögen wird geschult. Auch das Gerechtigkeitsempfinden und der Sinn für Gastfreundschaft werden gefördert. »Der Kontakt mit der Nahrung wird zum Balanceakt zwischen der Freude, an einer gemeinsamen Mahlzeit teilzunehmen, und dem Verbot, den sinnlichen Genuss deutlich zu zeigen«, schreibt die französische

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