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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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die Ernährungsindustrie. Sondern um einen neuen Kritikpunkt: Alles, was wir essen, hat direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit unseres Stoffwechsels. Es geht in der Diskussion über die gesundheitlichen Risiken von Fertignahrung also nicht mehr nur um zu viele Kalorien, problematische Kohlenhydrate oder ungesunde Fettsäuren. Es geht vor allem bei Kleinkindern und Kindern um die Grundeinstellung ihres jungen, noch naiven Brain-Pulls. Und das erhöht das Maß der Verantwortung deutlich: für die Eltern, die Gesellschaft, aber nicht zuletzt auch für die Hersteller dieser Nahrungsmittel.
    Kompetenzverluste

    Wie würde wohl ein Jäger und Sammler reagieren, würde man ihn per Zeitmaschine in einen Supermarkt des 21. Jahrhunderts katapultieren? Das Angebot würde ihn heillos überfordern – und es würde im Laufe der Zeit dazu führen, dass jahrtausendealtes Wissen ausgelöscht wird. Das belegen Studien mit Naturvölkern. Ob Inuit aus der Nordpolarregion, afrikanische Pygmäen, Yanomami-Indianer vom Amazonas oder australische Aborigines – der Kontakt mit der modernen Ernährungsindustrie kann alte Jagd-, Sammel- und Zubereitungstraditionen innerhalb weniger Generationen restlos auslöschen. Aber auch wir befinden uns in einem Prozess des Wissensverlustes. Die Küchenkünste und Kenntnisse über natürliche Lebensmittel, auf die unsere Großeltern oder Urgroßeltern noch ganz selbstverständlich zurückgreifen konnten, drohen vielen Familien im beginnenden 21. Jahrhundert verlorenzugehen. So beschreibt der schwedische Dichter Lars Gustafsson, geboren 1936, in einem kurzen Essay unter dem Titel »Herbstküche«, wie seine Frau und er im Wald gesammelte Pilze trocknen, selbstangebaute Tomaten verarbeiten, eigene Säfte herstellen und eine Artischockensuppe aus dem Garten zubereiten. Am Ende notiert er: »Gehören wir zur letzten oder sagen wir zur vorletzten Generation, die auf diese Weise alles genießen kann, was eine einigermaßen unzerstörte Natur bietet?« Was auf den ersten Blick wie ein etwas düsterer Abgesang klingen mag, ist durchaus Realität. Ich kenne in unserer Nachbarschaft kaum mehr jemanden, der noch selbst einen Nutzgarten bestellt, Obst und Gemüse einmacht oder eine Suppe aus selbstgepflücktem Sauerampfer oder Brennnesseln kocht. In unserem Bekanntenkreis finden sich nur wenige Familien, die täglich mit frischen Zutaten kochen, selbst gemeinsame Mahlzeiten sind eine Seltenheit. Und wenn man sich vor Augen führt, dass die Ernährungssituation in sozial benachteiligten Haushalten häufig sehr viel problematischer ist, ergibt sich ein erschreckendes Bild. Untersuchungen belegen, dass Kinder zwischen 5 und 7 Jahren aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischen Status deutlich häufiger zu Fast Food, Chips und Süßigkeiten greifen als Kinder aus Familien mit höherem Einkommen und Bildungsgrad.
    Für Gustafsson bedroht die zunehmende Monokultur des Essens auch den natürlichen Anbau von Nahrungsmitteln. Es ist tatsächlich kaum wahrscheinlich, dass Menschen, die sich überwiegend von Convenience-Produkten (engl. convenience = Bequemlichkeit) ernähren, künftig darauf bestehen werden, dass der Anbau und die Herstellung von Grundnahrungsmitteln möglichst naturnah geschehen. Und wenn wir davon ausgehen, dass die USA auch weiterhin unsere Ernährungsgewohnheiten beeinflussen, kommt da noch einiges auf uns zu. Dort werden immer mehr Wohnungen ohne Küche vermietet – eine Mikrowelle reicht. Auch so werden wir schrittweise an eine künstliche Ernährung gewöhnt.
    Was bedeutet diese Entwicklung für die Kompetenz unseres Brain-Pulls und – noch wichtiger – für die Ernährungskenntnisse und -fähigkeiten unserer Kinder? Die Forschungen zur Selfish-Brain-Theorie haben eines deutlich gemacht: Die Reaktion und Einstellung unseres Brain-Pulls auf unsere Ernährungsgewohnheiten sind uns nicht angeboren, sie entwickeln sich über viele Jahre oder gar Jahrzehnte. Nur einige Grundkenntnisse sind angelegt, der Rest muss erlernt werden. Die Kontrollinstanzen des Brain-Pulls (maßgeblich die Amygdala) brauchen Erfahrung, um einen optimal an die vielfältigen Situationen angepassten Stoffwechsel zu entwickeln. Und auch die Geschmacksnerven und die Geschmacksverarbeitungszentren im Gehirn (ebenfalls vor allem die Amygdala) sind auf Lektionen des Schmeckens angewiesen, um Nahrung zu unterscheiden und zu erkennen. Wenn diese Erfahrungen fehlen, bleibt das nicht ohne Folgen.
    Der britische Starkoch Jamie

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