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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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handelt; mancher mag in Notsituationen auch mit Hilfe seines religiösen Glaubens Kraft und Halt finden. Diese Menschen bewahren ihr gutes Selbstwertgefühl und bleiben gesund, ihre Gehirn-Architektur intakt.
    Schädlich-toxischer Stress hingegen entsteht, wenn Menschen dauerhaft mit Stressoren konfrontiert sind, denen sie nicht oder nur unzureichend mit Coping-Strategien begegnen können. Sie erliegen der allostatischen Last, der sie nun ständig ausgesetzt sind. Dadurch werden sie körperlich oder psychisch krank. Die Gehirn-Architektur bleibt nicht intakt erhalten. Bei dieser dritten Gruppe ist nun entscheidend (und das ist unabhängig von der jeweiligen Ursache, die dem chronischen Stress zugrunde liegt), wie sie auf die ständige allostatische Belastung reagieren. Das Prinzip haben wir bereits an den Gruppen A und B der Londoner Studenten klar gesehen. Die einen (Typ A) halten ihr Stresssystem hochtourig, der Brain-Pull behält seine Kompetenz: Sie essen weniger, nehmen ab, werden aber, wenn die Last zu groß wird, depressiv. Die anderen (Typ B) passen ihr Stresssystem an die Dauerbelastung an und fahren es zurück. Durch diese Gewöhnung oder »Habituation« wird ihr Brain-Pull inkompetent: Sie essen mehr, nehmen zu und senken damit ihr Risiko, depressiv zu werden. Um es noch einmal zu betonen: Wer von chronischem Stress stark belastet ist, wird über kurz oder lang depressiv oder dick.
    Die Verarbeitung von Stresserlebnissen ist – wie sollte es anders sein – ein Lernprozess, dem wir ständig ausgesetzt sind. Und wir ahnen es bereits: Alles, was unser Stresssystem lernt, hat auch direkten Einfluss auf seine Brain-Pull-Funktion. Um die tiefgreifenden Einflüsse der Programmierung unseres Stresssystems wird es in den nächsten Kapiteln dieses Buches gehen. Es ist gewissermaßen ein neuer Abschnitt auf der Reise durch das Energieversorgungsnetz unseres Körpers und Gehirns, und er führt uns zurück in die Kindheit.

Der programmierte Appetit

    Ein Kindergarten in der Nähe von Chicago, in dem Drei- bis Vierjährige basteln, spielen und lernen. Wie in den meisten solcher Einrichtungen gehört auch ein gemeinsames Frühstück zum Vormittagsprogramm. Doch an diesem Punkt unterscheidet sich dieser Kindergarten von anderen: In Abstimmung mit den Eltern und der Leitung starteten Psychologen der University of Illinois hier ein wissenschaftliches Experiment. Für die Kinder wird vormittags ein Frühstücksbuffet aufgebaut – immer zur gleichen Zeit. Das Essverhalten der einzelnen Kinder wird genau protokolliert. Wie bei den meisten Kindern in diesem Alter überwiegt ein kompetenter Brain-Pull: Die Kinder essen, bis sie satt sind, und verlieren dann augenblicklich das Interesse an der Nahrungsaufnahme. Ein wichtiges Element des Experiments besteht darin, dass zur Eröffnung des Buffets immer eine Art Erkennungsmelodie gespielt wird, das Intro der Pat-Metheny-Komposition »First Circle«. Nach einer zehntägigen Trainingsphase haben die Kinder mit dieser eingängigen und einfachen Tonfolge das anstehende Nahrungsangebot verknüpft. Sobald die ersten Takte ertönen, laufen sie zum Buffet und beginnen zu essen. Nun aber verändern die Forscher die Routine. Kurz vor dem Buffet wird ein Menü mit den Lieblingsspeisen der Kinder angeboten. Die Jungen und Mädchen dürfen so viel essen, wie sie wollen, und das machen sie auch. Kurze Zeit später ertönt die bekannte Melodie, und obwohl sie sich bereits satt gegessen hatten, laufen alle zum Buffet und essen noch einmal. Genauso wie an den vorangegangenen Tagen.
    Dieses Experiment erinnert nicht zufällig an das der »klassischen Konditionierung«, das der russische Verhaltensforscher Pawlow im Jahr 1905 an Hunden durchführte. Mit Glockentönen signalisierte er den Tieren Futter und studierte anschließend ihre Reaktionen. Nach mehreren Wiederholungen war schon allein auf den Glockenton hin ein Speichelfluss bei den Hunden zu beobachten.
    In diesem ungewöhnlichen Kindergartenversuch geht es ebenfalls um Konditionierung. Und zwar hinsichtlich der Frage, wie äußere Reize oder Signale auf die Nahrungsaufnahme Einfluss nehmen und inwieweit auch der Mensch durch solche Reize konditionierbar ist. Ungewöhnlich ist der Versuch in Illinois deshalb, weil es nur selten möglich ist, die Erkenntnisse von Tierversuchen direkt auf Menschen zu übertragen. Meistens verbietet sich dies aus ethischen Gründen. Auch in diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass dem Experiment eine kritische

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