Das egoistische Gen
sollten die Gesamtnettokosten für das Ansichreißen von mehr als dem gerechten Anteil der elterlichen Mittel eigentlich nicht nur in Geschwistern, sondern auch in zukünftigen Nachkommen gemessen werden, die aufgrund des Egoismus der Kinder untereinander verlorengehen. Alexanders Äußerung über den Nachteil, der darin liegt, daß der Eigennutz eines jungen Individuums an dessen Kinder weitergegeben wird und daher auf lange Sicht den eigenen Fortpflanzungserfolg dieses Individuums beeinträchtigt, ist zutreffend, aber das bedeutet lediglich, daß wir diesen Faktor auf der Kostenseite der Gleichung einkalkulieren müssen. Ein einzelnes Kind wird, solange sein Nettovorteil mindestens halb so groß ist wie die Nettokosten für nahe Verwandte, immer noch gut daran tun, eigennützig zu sein. Zu den „nahen Verwandten“ sollten jedoch nicht nur Brüder und Schwestern, sondern auch zukünftige Kinder gerechnet werden. Ein Individuum sollte sein eigenes Wohlergehen als doppelt so wertvoll einschätzen wie das seiner Geschwister – das ist Trivers’ grundlegende Annahme. Es sollte sich aber ebenfalls doppelt so hoch bewerten wie eins seiner eigenen zukünftigen Kinder. Alexanders Schlußfolgerung, daß es im Interessenkonflikt einen eingebauten Vorteil auf der elterlichen Seite gibt, ist nicht richtig.
Neben seiner grundlegenden genetischen These bringt Alexander auch eher praktische Argumente vor, die auf unleugbare Asymmetrien in der Eltern-Kind-Beziehung zurückgehen. Der Elternteil ist der aktive Partner, derjenige, der tatsächlich die Arbeit der Futterbeschaffung leistet und daher in der Lage ist, den Ton anzugeben. Wenn er beschließt, seine Arbeit einzustellen, so kann das Kind nicht viel dagegen tun, da es kleiner ist und nicht zurückschlagen kann. Daher sind die Eltern in einer Position, in der sie ihren Willen ohne Rücksicht auf die Wünsche des Kindes durchsetzen können. Dieses Argument ist nicht offensichtlich falsch, da in diesem Fall die Asymmetrie, die es postuliert, real ist.
Eltern sind tatsächlich größer, stärker und welterfahrener als Kinder. Sie scheinen alle Trümpfe in der Hand zu haben.
Aber auch die Jungen haben ein paar Asse im Ärmel. Zum Beispiel ist es für Eltern wichtig zu wissen, wie hungrig jedes ihrer Kinder ist, damit sie das Futter möglichst effizient austeilen können. Sie könnten die Nahrung natürlich genau gleich für alle rationieren, aber selbst im Idealfall wäre dies weniger effizient als ein System, bei dem diejenigen ein bißchen mehr bekommen, die es am besten verwerten können. Für die Eltern wäre ein System, bei dem jedes Kind sagt, wie hungrig es ist, ideal, und ein solches System scheint sich, wie wir gesehen haben, entwickelt zu haben. Die Jungen allerdings befinden sich stark im Vorteil, wenn sie die Eltern belügen wollen, denn sie wissen genau, wie hungrig sie sind, während die Eltern nur raten können, ob sie die Wahrheit sagen oder nicht. Ein Elternteil kann zwar vielleicht eine große Lüge durchschauen, eine kleine Lüge zu entdecken ist für ihn aber fast unmöglich.
Für Eltern ist es vorteilhaft, wenn sie wissen, wann ein Kind glücklich ist, und für ein Kind ist es gut, seinen Eltern mitteilen zu können, wann es glücklich ist. Signale wie Schnurren und Lächeln mögen selektiert worden sein, weil sie es den Eltern möglich machen zu erkennen, welche ihrer Handlungen für ihre Kinder am wohltuendsten sind. Der Anblick ihres lächelnden Kindes oder das Geräusch ihres schnurrenden Kätzchens ist für eine Menschen- beziehungsweise Katzenmutter in demselben Sinne lohnend wie eine Futtergabe für eine Ratte im Labyrinthversuch. Doch sobald ein süßes Lächeln oder ein lautes Schnurren lohnend geworden ist, kann das Kind das Lächeln oder das Kätzchen das Schnurren zur Manipulation der Eltern einsetzen, um mehr als seinen gerechten Anteil am Elternaufwand zu erhalten.
Es gibt also keine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wer mit größerer Wahrscheinlichkeit den Krieg der Generationen gewinnt. Das Resultat dieses Krieges ist ein Kompromiß zwischen der für das Kind und der für den Erwachsenen idealen Situation. Es ist ein Kampf, der dem zwischen Kuckuck und Pflegeeltern vergleichbar ist – natürlich kein derart verbissener Kampf, denn die Gegner haben einige genetische Interessen gemeinsam; ihre Gegnerschaft besteht nur bis zu einem gewissen Grad oder während bestimmter sensibler Perioden.
Dennoch mögen Jungtiere viele der
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