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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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meinen Augen optimale Gelegegröße sehr wohl kleiner sein, vorausgesetzt ich gehöre dazu! Die Mutter besitzt eine bestimmte Menge an elterlichen Mitteln, die sie unparteiisch unter fünf Junge verteilen „möchte“. Aber jedes Küken will mehr als den ihm zustehenden fünften Teil. Im Gegensatz zum Kuckuck will es zwar nicht alles, weil es mit den anderen Küken verwandt ist, aber es will mehr als ein Fünftel. Indem es einfach ein Ei hinauswirft, kann es ein Viertel bekommen, durch das Hinauswerfen eines weiteren Eies ein Drittel. Betrachten wir dies auf der Ebene der Gene, so wäre denkbar, daß sich ein Gen für Brudermord im Genpool ausbreitet, da es sich mit 100-prozentiger Sicherheit im Körper des Brudermörders befindet, aber nur mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit im Körper des Opfers.
    Gegen diese Theorie läßt sich vor allem einwenden, daß niemand dieses teuflische Verhalten bisher beobachtet hat, was doch der Fall sein müßte, wenn es wirklich vorkäme. Ich habe keine überzeugende Erklärung dafür. Bei Schwalben gibt es geographische Rassen, die in verschiedenen Teilen der Welt vorkommen. Es ist bekannt, daß die spanische Rasse sich in bestimmten Verhaltensweisen beispielsweise von der britischen unterscheidet. Die spanische Rasse ist bisher nicht dem gleichen Grad intensiver Beobachtung unterworfen wie die britische, und ich vermute, es wäre einfach möglich, daß Brudermord vorkommt, aber bisher übersehen worden ist.
    Ich bringe an dieser Stelle einen derart unwahrscheinlichen Gedanken wie die Brudermord-Hypothese vor, weil ich eine allgemeine These aufstellen möchte. Nämlich die, daß das skrupellose Verhalten eines jungen Kuckucks lediglich ein Extremfall dessen ist, was in jeder Familie vor sich gehen muß.
    Leibliche Geschwister sind untereinander näher verwandt als ein Kuckucksjunges mit seinen Stiefgeschwistern, aber der Unterschied ist lediglich quantitativer Art. Selbst wenn wir nicht glauben können, daß sich offener Brudermord entwickeln könnte, muß es zahllose weniger extreme Beispiele von Eigennutz geben, bei denen die Kosten, die einem Kind in Form von Verlusten für seine Geschwister entstehen, mehr als doppelt aufgewogen werden durch den Nutzen, den es selbst davonträgt. In solchen Fällen, etwa wenn es um den Zeitpunkt der Entwöhnung geht, existiert ein echter Interessenkonflikt zwischen Eltern und Kind.
    Wer geht mit größerer Wahrscheinlichkeit als Sieger aus diesem Krieg der Generationen hervor? R. D. Alexander schlägt in einem interessanten Aufsatz eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage vor. Seiner Ansicht nach gewinnen immer die Eltern. 2 Falls dies zutrifft, hat der Leser seine Zeit vergeudet, als er dieses Kapitel las. Alexanders These hat viele interessante Implikationen. Zum Beispiel könnte sich uneigennütziges Verhalten allein wegen der Vorteile entwickeln, die es den Genen der Eltern altruistisch handelnder Individuen bringt, nicht wegen der Vorteile für die Gene der Altruisten selbst. Die elterliche Manipulation – um Alexanders Begriff zu gebrauchen – wird, unabhängig von einfacher Verwandtschaftsselektion, zu einer alternativen Ursache für die Evolution altruistischen Verhaltens. Es ist für uns daher wichtig, Alexanders Gedankengang zu untersuchen und uns davon zu überzeugen, daß wir verstehen, warum er unrecht haben muß. Dies müßte eigentlich auf mathematische Weise geschehen, aber wir vermeiden in diesem Buch die unmittelbare Anwendung der Mathematik, und es läßt sich auch so eine intuitive Vorstellung davon vermitteln, was an Alexanders These falsch ist.
    Seine grundlegende genetische Aussage ist im folgenden, verkürzt wiedergegebenen Zitat enthalten. „Nehmen wir an, ein junges ... verursacht eine ungleiche Verteilung elterlicher Leistungen zu seinen eigenen Gunsten und verringert damit die Gesamtreproduktion seiner Mutter. Ein Gen, das auf diese Weise die Fitneß eines Individuums im Jugendalter verbessert, muß dessen Fitneß als Erwachsener zwangsläufig mindern, denn solche durch Mutation entstandenen Gene werden bei den Nachkommen des mutierten Individuums überdurchschnittlich häufig sein.“ Die Tatsache, daß Alexander ein gerade erst durch Mutation entstandenes Gen betrachtet, ist für das Argument nicht von Bedeutung. Es ist besser, sich ein vererbtes seltenes Gen vorzustellen. Der Begriff „Fitneß“ bedeutet in diesem Zusammenhang Fortpflanzungserfolg. Alexanders Aussage ist im wesentlichen die folgende:

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