Das egoistische Gen
uns daran, daß wir nicht von bewußten Strategien sprechen (obgleich wir dies gelegentlich tun könnten), sondern von Strategien im Sinne von Maynard Smith, Strategien der Art, die von Genen vorprogrammiert werden könnten. Weiter unten werden wir Pflanzen, verschiedene Tiere und sogar Bakterien kennenlernen, die alle das Wiederholte Gefangenendilemma spielen. Inzwischen wollen wir uns etwas ausführlicher damit beschäftigen, was an der Wiederholung so wichtig ist.
Anders als das einfache Spiel, das insofern keine allzu großen Überraschungen bietet, als Zusammenarbeit verweigern die einzige rationale Strategie ist, bietet die Version mit Wiederholungen eine Fülle an strategischem Spielraum. Bei dem einfachen Spiel existieren lediglich zwei mögliche Strategien, Zusammenarbeiten und Zusammenarbeit verweigern. Die Wiederholung jedoch erlaubt eine Menge an denkbaren Strategien, und es ist keineswegs offenkundig, welche die beste ist.
Eine Strategie unter tausenden zum Beispiel lautet: „Arbeite meistens zusammen, aber bei willkürlichen zehn Prozent der Runden verweigere die Zusammenarbeit.“ Möglich sind auch Strategien, bei denen das Verhalten vom bisherigen Verlauf des Spiels abhängig ist. Mein „Nachtragender“ ist ein Beispiel dafür; er hat ein gutes Gedächtnis für Gesichter, und obwohl er im Grunde zusammenarbeitet, verweigert er die Zusammenarbeit, wenn der andere Spieler jemals zuvor nicht zusammengearbeitet hat. Bei anderen Strategien könnte zum Beispiel leichter vergeben werden, oder die Spieler könnten ein kürzeres Gedächtnis haben.
Offensichtlich sind den Möglichkeiten im wiederholten Spiel nur durch unsere Kreativität Grenzen gesetzt. Können wir feststellen, welche Strategie die beste ist? Dies war die Aufgabe, die Axelrod sich selbst stellte. Er hatte den amüsanten Gedanken, einen Wettbewerb durchzuführen, und gab eine Anzeige auf, mit der er Experten in der Spieltheorie aufforderte, Strategien einzusenden. In diesem Zusammenhang sind Strategien vorprogrammierte Handlungsanweisungen, daher war es angebracht, daß die Bewerber ihre Beiträge in Computersprache einsandten. Es wurden 14 Strategien eingereicht. Um auf eine runde Zahl zu kommen, fügte Axelrod selbst eine fünfzehnte hinzu, die er „Willkür“ nannte und die schlicht darin bestand, völlig beliebig zwischen Zusammenarbeiten und Zusammenarbeit verweigern abzuwechseln. Diese „Nicht-Strategie“ diente als eine Art Nullinie: Wenn eine Strategie nicht besser abschneiden kann als „Willkür“, muß sie schon ziemlich schlecht sein.
3 Axelrods Computerturnier: mögliche Resultate für mich
Axelrod übersetzte alle 15 Strategien in eine gemeinsame Programmiersprache und ließ sie in einem leistungsstarken Computer gegeneinander antreten. Jede Strategie spielte gegen jede andere Strategie (einschließlich einer Kopie ihrer selbst) das Wiederholte Gefangenendilemma. Bei 15 Strategien waren dies 15 x 15 oder 225 einzelne Spiele, die in dem Computer gleichzeitig abliefen. Nachdem jedes Paar 200 Züge des Spiels durchgeführt hatte, wurden die Gewinne addiert und der Gewinner des Wettstreits verkündet. Wir sind nicht daran interessiert, welche Strategie gegen welchen spezifischen Gegner gewann. Es kommt vielmehr darauf an, welche Strategie am meisten „Geld“ anhäufte, wenn man alle 15 Kämpfe zusammenzählte. „Geld“ bedeutet nichts anderes als „Punkte“, die nach folgendem Schema verteilt wurden: beiderseitige Zusammenarbeit – drei Punkte; Anreiz zum Verweigern der Zusammenarbeit – fünf Punkte; Strafe für beiderseitiges Verweigern der Zusammenarbeit – ein Punkt (was in unserem früheren Spiel einer leichten Strafe entspricht); Resultat für den Betrogenen – null Punkte (entspricht in unserem früheren Spiel einer schweren Strafe).
Die höchste Punktzahl, die eine Strategie erreichen konnte, war 15000 (für jeden der 15 Gegner 200 Runden zu fünf Punkten pro Runde). Die niedrigste mögliche Punktzahl war null.
Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, daß keiner dieser beiden Extremwerte erreicht wurde. Der maximale Gewinn, den eine Strategie realistischerweise durchschnittlich in jeder ihrer 15 Auseinandersetzungen erhoffen darf, kann nicht weit über 600 Punkten liegen. Das ist die Punktzahl, die jeder von zwei Spielern erhalten würde, wenn sie beide durchweg zusammenarbeiten und so je drei Punkte für jede der 200 Runden des Spiels gewinnen würden. Würde einer von ihnen
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