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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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der Versuchung unterliegen, nicht zusammenzuarbeiten, so würde er wegen der Vergeltungszüge des anderen Spielers am Ende wahrscheinlich weniger als 600 Punkte aufzuweisen haben (bei der Mehrzahl der eingereichten Strategien war irgendeine Art von Vergeltungsverhalten eingebaut). Wir können die Zahl 600 als Vergleichsniveau benutzen und alle Ergebnisse in Prozent dieses Grundwertes angeben. Theoretisch ist es möglich, auf dieser Skala bis zu 166 Prozent (1000 Punkte) zu erzielen, aber in der Praxis erlangte kein Mittelwert einer Strategie mehr als 600 Punkte.
    Erinnern wir uns daran, daß die „Spieler“ in dem Wettbewerb nicht Menschen waren, sondern Computerprogramme, das heißt vorprogrammierte Strategien. Die Menschen, die sie erdacht hatten, spielten dieselbe Rolle wie Gene, die Körper vorprogrammieren (denken wir an das Computerschachspiel in Kapitel 4 und den Andromeda-Computer). Wir können uns die Strategien als „Miniatur-Bevollmächtigte“ ihrer Autoren vorstellen. Tatsächlich hätte ein Autor mehr als eine Strategie einsenden können (obwohl es Betrug gewesen wäre – und Axelrod es vermutlich nicht erlaubt hätte –, wenn ein Autor den Wettbewerb mit Strategien „vollgestopft“ hätte, von denen eine von der aufopfernden Kooperation der anderen profitiert hätte).
    Einige der eingereichten Strategien waren genial, wenn auch natürlich weit weniger genial als ihre Autoren. Bemerkenswerterweise war die siegreiche Strategie die einfachste und, oberflächlich betrachtet, am wenigsten geniale von allen.
    Sie hieß „Wie du mir, so ich dir“ und wurde von Professor Anatol Rapoport eingereicht, einem renommierten Psychologen und Spieltheoretiker aus Toronto. „Wie du mir, so ich dir“ beginnt mit Zusammenarbeiten   beim ersten Zug und kopiert von da an lediglich den vorhergehenden Zug des anderen Spielers.
    Wie könnte ein Spiel mit der Strategie „Wie du mir, so ich dir“ ablaufen? Wie immer hängt es vom anderen Spieler ab, was geschieht. Nehmen wir zunächst an, dieser wendet die gleiche Strategie an (erinnern wir uns, daß jede der Strategien nicht nur gegen die anderen 14 Strategien spielte, sondern auch gegen eine Kopie ihrer selbst). Beide Wie-du-mir-so-ich-dir-Strategen beginnen mit Zusammenarbeit. Beim nächsten Zug kopiert jeder Spieler den vorherigen Zug des Gegenspielers, der Zusammenarbeiten   hieß. Beide fahren bis zum Ende des Spiels mit Zusammenarbeiten   fort, und beide beenden das Spiel mit 600 Punkten, den vollen 100 Prozent des Vergleichsniveaus.
    Nehmen wir nun an, „Wie du mir, so ich dir“ spielt gegen eine Strategie namens „Naiver Probierer“. Diese Strategie gab es in Axelrods Wettbewerb in Wirklichkeit nicht, aber sie ist dennoch lehrreich. Sie ist im wesentlichen identisch mit „Wie du mir, so ich dir“, außer daß sie von Zeit zu Zeit, sagen wir in einem beliebigen Zug in jeder Gruppe von zehn Zügen, völlig grundlos die Zusammenarbeit verweigert und die hohe Punktzahl des Anreizes beansprucht. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem „Naiver Probierer“ den ersten verräterischen Zug ausprobiert, könnten die beiden Spieler genausogut zwei Wie-du-mir-so-ich-dir-Strategen sein. Es scheint, als nähme eine lange und für beide Seiten profitable Abfolge von Zusammenarbeit ihren Lauf, mit einer beruhigenden Punktzahl von 100 Prozent des Vergleichsniveaus für jeden der beiden Spieler. Aber plötzlich und ohne Vorwarnung, beispielsweise beim achten Zug, verweigert „Naiver Probierer“ die Zusammenarbeit. „Wie du mir, so ich dir“ hat bei diesem Zug natürlich Zusammenarbeiten gespielt und muß somit das Resultat des Betrogenen (null Punkte) einstecken. Der Naive Probierer scheint gut abgeschnitten zu haben, da er durch diesen Zug fünf Punkte erhalten hat. Doch beim nächsten Zug übt der Wie-du-mir-so-ich-dir-Stratege „Vergeltung“. Er spielt Zusammenarbeit verweigern   und folgt dabei lediglich der Regel, den vorhergehenden Zug seines Gegenspielers zu imitieren. Inzwischen hat der Naive Probierer, blindlings der auch seiner Strategie eingebauten Kopierregel folgend, den Zug Zusammenarbeiten   seines Gegenspielers wiederholt. Somit ist nun er es, der als Betrogener null Punkte bekommt, wohingegen derjenige, der „Wie du mir, so ich dir“ gespielt hat, die hohe Punktzahl von fünf erhält.
    Beim nächsten Zug ist es nun am Naiven Probierer, sich für den Verrat von „Wie du mir, so ich dir“ zu rächen“ – ziemlich zu unrecht, möchte man glauben.

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