Das egoistische Gen
gemeine Strategien ein, die in der Lage waren, solche absoluten Einfaltspinsel rücksichtslos auszubeuten.
Damit sind wir auf eine wichtige Tatsache gestoßen: Bei solchen Turnieren hängt der Erfolg einer Strategie davon ab, welche anderen Strategien am Wettbewerb teilnehmen. Nur auf diese Weise läßt sich erklären, warum „Wie du zweimal mir, so ich dir“ im zweiten Turnier ziemlich weit hinten rangierte, während dieselbe Strategie im ersten Wettbewerb gewonnen hätte. Aber wie ich schon sagte, befaßt sich dieses Buch nicht mit der Genialität von Computerprogrammierern. Gibt es eine objektive Methode, mit der wir beurteilen können, welches, in einem allgemeineren und weniger willkürlichen Sinne, die wirklich beste Strategie ist? Wer die vorigen Kapitel gelesen hat, wird bereits darauf vorbereitet sein, die Antwort in der Theorie der evolutionär stabilen Strategien zu suchen.
Ich gehörte zu den Personen, denen Axelrod seine ersten Resultate zukommen ließ mit der Einladung, mich mit einer Strategie an dem zweiten Turnier zu beteiligen. Ich tat dies nicht, machte aber einen anderen Vorschlag. Axelrod hatte bereits im Sinne der evolutionär stabilen Strategien (ESS) zu denken begonnen, aber ich hielt diese Tendenz für so bedeutsam, daß ich ihm schriftlich vorschlug, sich mit W. D. Hamilton in Verbindung zu setzen, der damals, ohne daß Axelrod davon wußte, in einer anderen Abteilung derselben Institution, der Michigan-Universität, arbeitete. Axelrod nahm tatsächlich sofort Kontakt mit Hamilton auf, und das Resultat ihrer anschließenden Zusammenarbeit war ein brillanter Beitrag, den sie 1981 gemeinsam in der Zeitschrift Science veröffentlichten. Der Beitrag gewann den Newcomb-Cleveland-Preis der American Association for the Advancement of Science. Abgesehen davon, daß Axelrod und Hamilton einige herrlich ausgefallene Beispiele des „Wiederholten Gefangenendilemmas“ aus der Biologie erörterten, zollten sie der ESS-These die meiner Ansicht nach verdiente Anerkennung.
Vergleichen wir die ESS-Methode mit dem Jeder-gegen-jeden-System, das Axelrod bei seinen beiden Turnieren benutzte. Dieses System kennen wir aus der Fußballiga. Jede Strategie wurde gleich oft gegen jede andere Strategie ausgespielt. Das Endergebnis einer Strategie war die Summe der Punkte, die sie gegen alle anderen Strategien gewann. Um in einem solchen Jeder-gegen-jeden-Wettkampf erfolgreich zu sein, muß eine Strategie daher gut gegen alle anderen Strategien abschneiden, die zufällig mitspielen. Axelrods Bezeichnung für eine Strategie, die sich erfolgreich gegen eine Vielzahl anderer Strategien durchsetzt, ist „robust“. „Wie du mir, so ich dir“ erwies sich als robuste Strategie. Aber wie die Gruppe der eingereichten Strategien zusammengesetzt ist, hängt vom Zufall ab. Das war der Punkt, der uns weiter oben Sorgen gemacht hat. Es ergab sich einfach so, daß bei Axelrods ursprünglichem Wettbewerb die Hälfte der Teilnehmer nett war. In diesem Klima war „Wie du mir, so ich dir“ der Gewinner, und in diesem Umfeld hätte „Wie du zweimal mir, so ich dir“ gewonnen, wenn es mitgespielt hätte. Aber nehmen wir an, es hätte sich zufällig so ergeben, daß fast alle Mitspieler gemein gewesen wären. Das hätte leicht geschehen können. Schließlich waren sechs der 14 eingereichten Strategien gemein. Wären dreizehn von ihnen gemein gewesen, so hätte „Wie du mir, so ich dir“ nicht gewonnen. Es hätte nicht das richtige „Klima“ dafür geherrscht. Nicht nur der gewonnene Geldbetrag, sondern auch die Rangordnung des Erfolgs unter Strategien hängt davon ab, welche Strategien zufällig zu dem Wettbewerb eingereicht wurden; es hängt, mit anderen Worten, von etwas so Willkürlichem wie der menschlichen Laune ab. Wie können wir diese Willkür reduzieren? Durch „ESS-Denken“.
Wie wir uns aus vorangegangenen Kapiteln erinnern, ist ein wichtiges Merkmal einer evolutionär stabilen Strategie, daß sie auch dann noch gut abschneidet, wenn sie in der Population bereits zahlreich ist. Würden wir zum Beispiel „Wie du mir, so ich dir“ als ESS bezeichnen, so würde dies bedeuten, daß „Wie du mir, so ich dir“ in einem von Wie-du-mir-so-ich-dir-Strategen beherrschten Umfeld erfolgreich wäre. Man könnte dies als eine besondere Art von „Robustheit“ betrachten. Als Evolutionsbiologen sind wir versucht, es als die einzige Art von Robustheit anzusehen, auf die es ankommt.
Warum kommt es so sehr darauf an?
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