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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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hängt davon ab, welche Gewinne im einzelnen der Bankier sich in diesem speziellen Spiel auszuzahlen bereit erklärt hat. Allgemein können wir nur sagen, daß es eine kritische Frequenz gibt, eine Art Bergkamm. Auf der einen Seite des Grates ist die kritische Frequenz von „Wie du mir, so ich dir“ überschritten, und die natürliche Auslese sorgt für eine stetige Zunahme dieser Strategie. Auf der anderen Seite des Grates ist die kritische Frequenz für „Immer Zusammenarbeit verweigern“ überschritten, und die natürliche Auslese fördert „Immer Zusammenarbeit verweigern“ immer stärker.
    Wir sind einem Äquivalent dieses Grates, wie der Leser sich erinnern wird, bereits in der Geschichte der Nachtragenden und Betrüger in Kapitel 10 begegnet.
    Es ist daher offensichtlich wichtig, auf welcher Seite des Grates die Entwicklung einer Population zufällig beginnt.   Und wir müssen wissen, auf welche Weise es dazu kommen könnte, daß eine Population von einer Seite des Grates auf die andere gelangt. Nehmen wir an, wir beginnen mit einer Population, die sich bereits auf der Seite von „Immer Zusammenarbeit verweigern“ befindet. Die wenigen Individuen, die „Wie du mir, so ich dir“ spielen, treffen einander nicht oft genug, um sich gegenseitig von Nutzen zu sein. Somit drängt die natürliche Auslese die Population immer noch weiter in Richtung des Extrems von „Immer Zusammenarbeit verweigern“. Wenn es der Population nur eben gelingen würde, durch zufällige Drift auf die andere Seite des Grates zu gelangen, so könnte sie den Abhang zur „Wie du mir, so ich dir“-Seite hinabgleiten, und es ginge allen viel besser, und zwar auf Kosten der Bank (oder der Natur). Doch natürlich haben Populationen weder einen Gruppenwillen noch eine Gruppenabsicht oder ein Gruppenziel. Sie können sich nicht bemühen, über den Grat hinwegzuspringen, sondern werden ihn nur dann überqueren, wenn die ungerichteten Kräfte der Natur sie zufällig hinüberführen.
    Wie könnte es dazu kommen? Eine Möglichkeit, die Antwort auszudrücken, ist: „Durch Zufall.“ Aber „Zufall“ ist lediglich ein Wort, das unserer Unkenntnis Ausdruck gibt. Es bedeutet „durch ein bisher unbekanntes oder nicht spezifiziertes Mittel bedingt“. Wir sind in der Lage, eine etwas bessere Antwort zu geben. Wir können uns vorzustellen versuchen, mit welchen praktischen Methoden es einer Minderheit von Individuen mit der Strategie „Wie du mir, so ich dir“ gelingen könnte, ihre Zahl auf den kritischen Wert zu erhöhen. Dies läuft auf die Frage hinaus, welche Möglichkeiten es für Individuen gibt, die „Wie du mir, so ich dir“ spielen, sich in ausreichend großer Zahl zusammenzufinden, damit sie alle auf Kosten der Bank profitieren können. Dieser Gedankengang scheint vielversprechend zu sein, ist jedoch ziemlich vage. Auf welche Weise genau könnte es dazu kommen, daß einander ähnliche Individuen sich lokal zusammenballen? In der Natur zweifellos durch genetische Verwandtschaft. Die Angehörigen der meisten Tierarten leben wahrscheinlich eher in der Nähe ihrer Schwestern, Brüder und Vettern als in der Nähe irgendwelcher anderen beliebigen Populationsmitglieder. Dies ist nicht unbedingt deshalb der Fall, weil sie es so wollen. Es ergibt sich automatisch aus der „Viskosität“ in der Population. Viskosität bedeutet jede Tendenz von Individuen, in der Nähe des Ortes zu bleiben, an dem sie geboren wurden. Beispielsweise war es während eines Großteils der Geschichte und in den meisten Teilen der Welt so (wenn auch zufällig gerade nicht in unserer modernen Welt), daß sich einzelne Menschen selten mehr als ein paar Kilometer von ihrem Geburtsort entfernten. Als Folge davon entstehen gewöhnlich örtlich begrenzte Ansammlungen genetisch verwandter Individuen. Ich erinnere mich, wie ich einmal eine entlegene Insel vor der Westküste von Irland besuchte und über die Tatsache verblüfft war, daß fast alle Bewohner dieser Insel enorm große, abstehende Ohren hatten. Das konnte kaum eine Anpassung an das örtliche Klima sein (gewöhnlich herrschen starke von der Küste kommende Winde). Der Grund für dieses Phänomen war vielmehr, daß die meisten Inselbewohner eng miteinander verwandt waren.
    Genetische Verwandte haben gewöhnlich nicht nur ähnliche Gesichtszüge, sondern gleichen sich auch in allen möglichen anderen Beziehungen. Beispielsweise werden sie einander gewöhnlich in bezug auf die genetische Neigung ähneln, die

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