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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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zu codieren? Aber wenn wir von einem Gen „für“ etwas sprechen, so meinen wir immer nur, daß eine Veränderung in dem Gen eine Veränderung in diesem Etwas hervorruft. Ein einzelner genetischer Unterschied verursacht – durch die Veränderung irgendeiner Einzelheit der Moleküle in den Zellen – einen Unterschied in den bereits komplexen Prozessen im Embryo und damit beispielsweise im Verhalten.
    So wird ein mutantes Gen „für“ brüderlichen Altruismus bei Vögeln nicht allein für ein völlig neues kompliziertes Verhaltensmuster verantwortlich sein. Statt dessen wird es irgendein bereits bestehendes und wahrscheinlich bereits kompliziertes Verhaltensmuster ändern. Der wahrscheinlichste Vorgänger ist in diesem Fall das Verhalten der Eltern. Vögel verfügen selbstverständlich über den komplizierten Nervenapparat, der nötig ist, um ihre Nachkommenschaft zu ernähren und zu versorgen. Dieser seinerseits ist, von seinen Vorläufern ausgehend, während vieler Generationen durch langsame, schrittweise Evolution aufgebaut worden. (Übrigens, Skeptiker in bezug auf Gene für geschwisterliche Fürsorge sind häufig inkonsequent: Warum sind sie nicht geradeso skeptisch in bezug auf Gene für die gleichermaßen komplizierte elterliche Fürsorge?) Das zuvor bereits bestehende Verhaltensmuster – in diesem Fall elterliche Fürsorge – wird vermutlich durch eine geeignete Daumenregel vermittelt wie etwa „Füttere alle piepsenden, den Schnabel aufreißenden Dinge in deinem Nest“. Das Gen „für das Füttern von jüngeren Brüdern und Schwestern“ könnte dann dadurch funktionieren, daß es das Alter herabsetzt, in dem diese Daumenregel im Laufe der Entwicklung reif wird. Ein Nestling, der das brüderliche Gen als eine neue Mutation trägt, wird einfach seine „elterliche“ Daumenregel ein wenig früher als ein normaler Vogel aktivieren. Er wird die piepsenden, den Schnabel aufsperrenden Dinge im Nest seiner Eltern – seine jüngeren Brüder und Schwestern – so behandeln, als wären sie die piepsenden, den Schnabel aufsperrenden Dinge in seinem eigenen Nest – seine Jungen. Weit davon entfernt, eine brandneue, komplizierte Verhaltensinnovation zu sein, würde „brüderliches Verhalten“ zunächst als eine leichte Variante im Zeitpunkt der Entwicklung bereits bestehenden Verhaltens auftreten. Wie so oft entstehen auch hier irrige Ansichten, wenn wir die grundlegende Allmählichkeit der Evolution vergessen, die Tatsache, daß die anpassende Evolution mittels kleiner, schrittweiser Veränderungen bereits bestehender Strukturen oder Verhaltensweisen vor sich geht.
     
    6 Wenn es in der ersten Auflage Fußnoten gegeben hätte, so hätte eine von ihnen der Erklärung gedient – wie Rothenbuhler selbst dies mit peinlicher Genauigkeit tat –, daß die Bienenresultate nicht ganz so eindeutig und sauber waren. Unter den vielen Kolonien, die der Theorie zufolge kein hygienisches Verhalten hätten zeigen sollen, war eine, die dies dennoch tat.
    Rothenbuhlers eigene Worte dazu: „Wir können dieses Resultat nicht unbeachtet lassen, so gern wir es auch täten, aber wir gründen die genetische Hypothese auf die übrigen Daten.“ Eine Mutation in der anormalen Kolonie ist eine mögliche Erklärung, obwohl sie nicht sehr wahrscheinlich ist.

    7 Heute bin ich mit dieser Behandlung der tierischen Kommunikation nicht mehr zufrieden. John Krebs und ich vertraten in zwei Artikeln die Ansicht, daß die Mehrzahl der tierischen Signale wohl als weder informativ noch der Täuschung dienend, sondern vielmehr als manipulierend anzusehen sind. Ein Signal ist für ein Tier ein Mittel, um sich der Muskelkraft eines anderen Tieres zu bedienen. Der Gesang einer Nachtigall ist keine Information, noch nicht einmal täuschende Information.
    Er ist überzeugende, hypnotisierende, fesselnde Rhetorik. Die logische Schlußfolgerung aus Behauptungen wie diesen wird in meinem Buch The Extended Phenotype gezogen, von dem ich einen Teil in Kapitel 13 zusammengefaßt habe. Krebs und ich argumentieren, daß Signale durch Evolution aus einem Wechselspiel von Aktivitäten hervorgehen, die wir Gedankenlesen und Manipulation nennen. Auf verblüffend andere Art geht Amotz Zahavi an das Thema Tiersignale heran. In einer Anmerkung zu Kapitel 9 erörtere ich Zahavis Ansichten bei weitem wohlwollender als in der ersten Auflage dieses Buches.

5. Aggression: Die egoistische Maschine und die Stabilität
    1.Heutzutage drücke ich die Grundidee einer ESS

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