Das egoistische Gen
gern auf die folgende, knappere Weise aus. Eine ESS ist eine Strategie, die gegen Kopien ihrer selbst gut abschneidet. Das Grundprinzip ist folgendes: Eine Strategie ist erfolgreich, wenn sie in der Population vorherrschend ist. Daher wird sie gewöhnlich auf Kopien ihrer selbst treffen. Also wird sie nur dann erfolgreich bleiben, wenn sie gegen Kopien ihrer selbst gut abschneidet.
Diese Definition ist nicht so mathematisch präzise wie die von Maynard Smith, und sie kann seine Definition nicht ersetzen, denn sie ist tatsächlich unvollständig. Aber sie hat den eindeutigen Vorteil, die Grundidee der ESS intuitiv in sich einzuschließen.
Das Denken im Sinne der ESS ist heutzutage unter Biologen weiter verbreitet als zu der Zeit, als ich dieses Kapitel schrieb. Maynard Smith selbst hat in seinem Buch Evolution and the Theory of Games die Entwicklungen bis zum Jahre 1982 zusammengefaßt. Geoffrey Parker, ein anderer Wissenschaftler, der führende Beiträge auf diesem Gebiet geleistet hat, veröffentlichte einen etwas aktuelleren Bericht. Robert Axelrod verwendet die ESS-Theorie in seinem Buch Die Evolution der Kooperation, aber ich werde es an dieser Stelle nicht erörtern, da eins der beiden neuen Kapitel dieser Auflage, „Nette Kerle kommen zuerst ans Ziel“, weitgehend der Erklärung von Axelrods Arbeit gewidmet ist. Ich selbst habe mich seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches in einem Artikel mit dem Titel Good Strategy or Evolutionarily Stable Strategy? und in den weiter unten erörterten, gemeinsam mit anderen Autoren veröffentlichten Beiträgen über Grabwespen mit der Frage der ESS-Theorie auseinandergesetzt.
2 Diese Feststellung war leider falsch. Die Originalveröffentlichung von Maynard Smith und Price enthielt einen Irrtum, und ich wiederholte ihn in diesem Kapitel, ja, ich verschlimmerte ihn noch, indem ich die recht törichte Behauptung aufstellte, daß „probierfreudiger Vergelter“ „beinahe“ eine ESS ist (wenn eine Strategie beinahe eine ESS ist, dann ist sie eben keine ESS und wird unterwandert werden). „Vergelter“ sieht oberflächlich wie eine ESS aus, da es in einer Population von Vergeltern keine andere Strategie gibt, die besser abschneidet.
Doch „Taube“ schneidet gleich gut ab, da sie vom Verhalten her in einer Population von Vergeltern nicht von einem Vergelter zu unterscheiden ist. Taube kann daher in die Population hineindriften. Das Problem liegt in der Frage, was als nächstes geschieht. J.S. Gale und Ehrwürden L.J. Eaves spielten eine dynamische Computersimulation durch, in der sie eine Population von Modelltieren eine lange Reihe von Generationen der Evolution durchlaufen ließen. Sie zeigten, daß die echte ESS in diesem Spiel eine stabile Mischung aus „Falken“ und „Angebern“ ist. Dies ist nicht der einzige Irrtum in der frühen ESS-Literatur, der durch dynamische Behandlung dieser Art entdeckt worden ist. Ein anderes schönes Beispiel ist ein Fehler, der mir selbst unterlaufen ist und auf den ich in meinen Anmerkungen zu Kapitel 9 näher eingehen werde.
3 Inzwischen gibt es gute Feldmessungen von Kosten und Nutzen in der Natur, die in besondere ESS-Modelle eingegeben worden sind. Eines der besten Beispiele liefert eine nordamerikanische Grabwespenart, Sphex ichneumoneus. Grabwespen sind nicht die vertrauten sozial lebenden Wespen unserer herbstlichen Marmeladentöpfe, die unfruchtbare Weibchen sind und für eine Kolonie arbeiten. Jede weibliche Grabwespe ist ihr eigener Herr, und sie widmet ihr Leben der Aufgabe, einer ihrer Larven nach der anderen Schutz und Nahrung zur Verfügung zu stellen. Im typischen Fall beginnt ein Weibchen damit, daß es ein langes Bohrloch in die Erde gräbt, auf dessen Grund sich eine ausgehöhlte Kammer befindet. Sodann geht die Wespe auf Beutejagd. Wenn sie ein Beutetier, etwa eine Laubheuschrecke, gefunden hat, sticht sie es, um es zu lähmen, und zerrt es in ihr Erdloch. Sobald sie vier oder fünf Heuschrecken zusammengetragen hat, legt sie ein Ei oben auf den Haufen und versiegelt den Gang. Aus dem Ei schlüpft eine Larve, die sich von den Heuschrecken ernährt. Die Beute wird übrigens deshalb gelähmt und nicht getötet, weil sie dann nicht verwest, sondern lebendig und daher frisch gefressen werden kann. Diese makabre Gewohnheit bei den verwandten Schlupfwespen (Ichneumoniden) veranlaßte Darwin zur Niederschrift des Satzes: „Ich kann beim besten Willen nicht glauben, daß ein wohlwollender und
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