Das egoistische Gen
bringen, das wie eine unsterbliche Gemse durch die Zeitalter von Körper zu Körper springt, als freier, ungebundener und eigennütziger Träger des Lebens? War das alles Unsinn? Durchaus nicht. Vielleicht habe ich mich etwas vom rhetorischen Schwung mitreißen lassen, aber ich habe keinen Unsinn erzählt, und es gibt keinen wirklichen inneren Widerspruch. Wir können dies mit Hilfe eines anderen Bildes verdeutlichen.
Ein einzelner Ruderer, auf sich allein gestellt, kann die Ruderregatta zwischen Oxford und Cambridge nicht gewinnen. Er braucht acht Kameraden, die mitrudern. Jeder dieser Kameraden ist ein Spezialist, der stets in einem bestimmten Teil des Bootes sitzt – entweder im Bug oder am Platz des Schlagmannes, des Steuermannes und so weiter. Das Rudern des Bootes ist ein gemeinschaftliches Unterfangen, aber nichtsdestoweniger sind einige Männer darin besser als andere.
Nehmen wir an, ein Trainer habe seine ideale Mannschaft aus einem Reservoir von Bewerbern auszuwählen, von denen jeweils einige besonders für den Platz im Bug, andere als Steuermann und so weiter geeignet sind. Stellen wir uns vor, er trifft seine Wahl folgendermaßen: Jeden Tag stellt er durch zufälliges Herumschieben der Bewerber um jede Position drei neue Ausscheidungsmannschaften zusammen und läßt diese drei Mannschaften gegeneinander starten. Wenn er dies einige Wochen lang macht, beginnt sich herauszustellen, daß das Siegerboot häufig dieselben einzelnen Männer enthält. Diese werden als gute Ruderer vermerkt. Andere scheinen sich ständig in den langsameren Mannschaften zu befinden, und diese werden schließlich abgelehnt. Aber selbst ein hervorragender Ruderer kann gelegentlich einer langsamen Mannschaft angehören, entweder weil die übrigen Mannschaftsmitglieder so schlecht sind oder weil er Pech hatte – zum Beispiel starken Gegenwind. Lediglich im Durchschnitt gesehen sitzen die besten Männer gewöhnlich im Gewinnerboot.
Die Ruderer sind die Gene. Die Rivalen für jeden Platz im Boot sind die Allele, die potentiell in der Lage sind, denselben Platz auf einem Chromosomenabschnitt einzunehmen. Das schnelle Rudern entspricht dem Bau eines Körpers, der erfolgreich überlebt. Der Wind ist die äußere Umwelt, das Reservoir alternativer Bewerber der Genpool. Soweit es das Überleben eines Körpers betrifft, sitzen alle seine Gene im selben Boot.
Manch gutes Gen gerät in schlechte Gesellschaft und stellt fest, daß es den Körper mit einem letalen Gen teilt, welches diesen im Kindesalter tötet. Dann wird das gute Gen zusammen mit den übrigen zerstört. Doch dies ist nur ein Körper, und Kopien desselben guten Gens leben in anderen Körpern weiter, die das tödliche Gen nicht enthalten. Viele Kopien guter Gene gehen unter, weil sie sich zufällig mit schlechten Genen in einen Körper teilen, und viele kommen um, weil ihnen andere Formen von Mißgeschick widerfahren, beispielsweise wenn ihr Körper vom Blitz getroffen wird. Aber definitionsgemäß schlägt der Zufall – der glückliche wie der unglückliche – aufs Geratewohl zu, und ein Gen, das beständig auf der Seite der Verlierer ist, ist kein Gen, das Pech hat; es ist ein schlechtes Gen.
Eine der Eigenschaften eines guten Ruderers ist Teamgeist, das heißt die Fähigkeit, sich anzupassen und mit den anderen in einer Mannschaft zusammenzuarbeiten. Dies kann gerade so wichtig sein wie kräftige Muskeln. Wie wir im Fall der Schmetterlinge gesehen haben, kann die natürliche Auslese durch Inversionen und andere Umstellungen ganzer Chromosomenabschnitte blindlings einen Genkomplex „überarbeiten“ und dabei Gene, die gut zusammenarbeiten, in eng miteinander verbundene Gruppen zusammenfügen. In gewisser Beziehung werden aber auch Gene, die in keinerlei Weise physisch miteinander verbunden sind, wegen ihrer gegenseitigen Vereinbarkeit selektiert. Ein Gen, das mit den meisten anderen Genen, die es in aufeinanderfolgenden Körpern wahrscheinlich treffen wird, das heißt mit den anderen Genen im Genpool, gut zusammenarbeitet, wird gewöhnlich im Vorteil sein.
Zum Beispiel gibt es eine Reihe von Eigenschaften, die in einem effizienten Körper eines Fleischfressers wünschenswert sind, darunter scharfe Reißzähne, die richtige Art von Eingeweiden zum Verdauen von Fleisch und viele andere. Ein effizienter Pflanzenfresser andererseits braucht flache Mahlzähne und einen viel längeren Verdauungstrakt mit einer andersgearteten Verdauungschemie. In einem Genpool von
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