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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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ein Individuum versuche die Zahl seiner überlebenden Gene zu maximieren. In diesem Sinne erscheint die sexuelle Fortpflanzung paradox, da sie für ein Individuum keine „effiziente“ Methode zur Vermehrung seiner Gene ist: Jedes Kind dieses Individuums besitzt nur 50 Prozent seiner Gene, während die anderen 50 Prozent von dem Geschlechtspartner kommen.
    Könnte das Individuum doch nur wie eine Blattlaus Kinder in die Welt setzen, die genaue Kopien seiner selbst wären, so würde es im Körper jedes Kindes 100 Prozent seiner Gene an die nächste Generation weitergeben! Diese scheinbare innere Widersinnigkeit hat einige Theoretiker veranlaßt, sich die Theorie der Gruppenselektion zu eigen zu machen, da auf der Ebene der Gruppe relativ leicht Vorteile der sexuellen Fortpflanzung vorstellbar sind. Wie W. F. Bodmer es prägnant ausgedrückt hat, „erleichtert [die geschlechtliche Fortpflanzung] die Anhäufung von getrennt voneinander in verschiedenen Individuen entstandenen vorteilhaften Mutationen in einem einzelnen Individuum“.
    Doch die sexuelle Fortpflanzung erscheint weniger widersinnig, wenn wir dem Gedankengang dieses Buches folgen und das Individuum als eine von einem kurzlebigen Verband langlebiger Gene gebaute Überlebensmaschine behandeln. Die „Effizienz“ unter dem Blickwinkel des gesamten Individuums wird dann irrelevant. Geschlechtliche kontra ungeschlechtliche Fortpflanzung wird zu einer Eigenschaft, die der Steuerung durch ein einziges Gen unterliegt, gerade so wie blaue Augen kontra braune Augen. Ein Gen „für“ sexuelle Fortpflanzung manipuliert alle übrigen Gene zugunsten seiner eigenen selbstsüchtigen Zwecke. Das gleiche tut ein Gen für Crossing-Over. Es gibt sogar Gene – mit dem Namen Mutatoren – die die Rate der Kopierfehler bei anderen Genen manipulieren.
    Definitionsgemäß ist ein Kopierfehler ein Nachteil für das Gen, das falsch kopiert wird. Doch wenn er einen Vorteil für das egoistische Mutatorgen bedeutet, kann der Mutator sich im gesamten Genpool ausbreiten. Ähnlich ist, wenn Crossing-Over einem Gen für Crossing-Over einen Vorteil bringt, dies allein eine ausreichende Erklärung für die Existenz von Crossing-Over. Und wenn die geschlechtliche im Gegensatz zur ungeschlechtlichen Reproduktion einen Vorteil für ein Gen für sexuelle Reproduktion bedeutet, so ist dies allein eine ausreichende Erklärung für die Existenz von sexueller Fortpflanzung. Ob sie all den übrigen Genen des Individuums einen Vorteil bringt oder nicht, ist von verhältnismäßig geringer Relevanz. Vom Standpunkt des egoistischen Gens aus gesehen, ist die Sexualität am Ende gar nicht so sonderbar.
    Dies kommt einem Zirkelschluß gefährlich nahe, da die Existenz der Sexualität eine Vorbedingung für die gesamte Kette von Argumenten ist, die uns veranlaßt, das Gen als die Einheit der Selektion zu betrachten. Ich denke, es wird einen Ausweg aus diesem Kreis geben, aber dieses Buch ist nicht der Platz, um die Frage weiter zu verfolgen. Sexuelle Fortpflanzung ist eine Tatsache, soviel ist sicher. Und weil es Sexualität und Crossing-Over gibt, kann die kleine genetische Einheit oder das Gen unter den uns heute bekannten Einheiten als diejenige angesehen werden, die einem grundlegenden, unabhängigen Träger der Evolution am nächsten kommt.
    Die sexuelle Fortpflanzung ist nicht das einzige scheinbar widersinnige Phänomen, das etwas von seiner Rätselhaftigkeit verliert, sobald wir lernen, im Sinne des eigennützigen Gens zu denken. Es zeigt sich beispielsweise, daß die DNA-Menge in den Organismen größer ist, als für deren Konstruktion unbedingt erforderlich wäre: Ein großer Teil der DNA wird niemals in Eiweiß umgesetzt. Vom Standpunkt des individuellen Organismus aus betrachtet, scheint dies widersinnig zu sein. Wenn der, „Zweck“ der DNA der ist, den Bau von Körpern zu beaufsichtigen, so ist es überraschend, eine große Menge von DNA zu finden, die nichts dergleichen tut. Die Biologen zermartern sich den Kopf darüber, welche nützliche Aufgabe diese offenbar überflüssige DNA erfüllt. Vom Blickpunkt der egoistischen Gene selbst gesehen, gibt es jedoch keinen Widerspruch. Der wirkliche „Zweck“ der DNA ist es, zu überleben – nicht mehr und nicht weniger. Die überflüssige DNA erklärt man am einfachsten, wenn man annimmt, daß sie ein Parasit oder bestenfalls ein harmloser, wenn auch nutzloser Passagier ist, der sich in der von der restlichen DNA geschaffenen

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