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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Das Prinzip der Spieldose ist ähnlich.
    Andere Maschinen, beispielsweise die Dampforgel und das Pianola, verwenden Papierrollen oder Karten mit in einer bestimmten Anordnung gestanzten Löchern. In jüngster Zeit besteht ein Trend, solche einfachen mechanischen Synchronisatoren durch elektronische zu ersetzen. Die Digitalrechenautomaten sind ein Beispiel großer und vielseitiger elektronischer Anlagen, die zur Erzeugung komplexer, zeitlich koordinierter Bewegungsmuster benutzt werden können. Der wesentliche Bestandteil einer modernen elektronischen Maschine, beispielsweise eines Computers, ist der Halbleiter, zu dessen bekanntesten Formen der Transistor gehört.
    Die Überlebensmaschinen scheinen den Nocken und die Lochkarte völlig übersprungen zu haben. Die Einrichtung, die sie zum Koordinieren ihrer Bewegungen benutzen, hat mehr mit dem Elektronenrechner gemein, obwohl ihre grundlegende Arbeitsweise völlig anders ist. Die Grundeinheit der biologischen Computer, die Nervenzelle oder das Neuron, hat in ihrer inneren Funktionsweise wirklich keinerlei Ähnlichkeit mit einem Transistor. Zwar scheint der Code, über den die Neuronen untereinander in Verbindung stehen, ein wenig den Impulscodes der digitalen Computer zu ähneln, doch das einzelne Neuron ist eine sehr viel anspruchsvollere datenverarbeitende Einheit als der Transistor. Statt über lediglich drei Anschlüsse zu anderen Komponenten kann ein einzelnes Neuron über Zehntausende solcher Anschlüsse verfügen. Das Neuron ist langsamer als der Transistor, dafür ist seine Miniaturisierung – ein Trend, der in den letzten zwei Jahrzehnten in der elektronischen Industrie vorherrschend war – sehr viel weiter fortgeschritten. Dies zeigt sich an der Tatsache, daß das menschliche Gehirn etwa zehn Milliarden Neuronen enthält, während man lediglich ein paar hundert Transistoren in einen Schädel hineinpacken könnte. Die Pflanzen brauchen keine Nervenzellen, denn sie bekommen alles, was sie zum Leben brauchen, ohne sich zu bewegen, aber die große Mehrheit der Tiergruppen besitzt Neuronen. Die Nervenzelle kann zu Beginn der tierischen Evolution „entdeckt“ und von allen Gruppen ererbt worden sein, vielleicht wurde sie aber auch mehrere Male unabhängig voneinander neu erfunden.
    Neuronen sind im wesentlichen einfach Zellen, mit einem Kern und Chromosomen wie andere Zellen. Ihre Zellwände sind jedoch zu langen, dünnen, drahtähnlichen Fortsätzen ausgezogen. Häufig besitzt ein Neuron einen besonders langen „Draht“, der Axon genannt wird. Obwohl der Durchmesser eines Axons mikroskopisch klein ist, kann seine Länge ein paar Meter betragen: Es gibt einzelne Axone, die über die ganze Länge eines Giraffenhalses laufen. Die Axone sind gewöhnlich zu dicken, aus zahlreichen Fasern bestehenden Kabeln gebündelt, die Nerven genannt werden. Diese führen von einem Teil des Körpers zu einem anderen und befördern Nachrichten, ähnlich wie Telefonfernleitungen. Andere Neurone besitzen kurze Axone und sind zu großen Komplexen von Nervengewebe zusammengeballt, die als Ganglien oder, wenn sie sehr groß sind, als Gehirn bezeichnet werden. Das Gehirn läßt sich in seiner Funktion mit einem Computer vergleichen. Beide Maschinentypen erzeugen nach der Analyse komplexer Inputmuster und dem Abruf gespeicherter Informationen komplizierte Outputmuster.
    Zum Erfolg einer Überlebensmaschine trägt das Gehirn hauptsächlich dadurch bei, daß es die Kontraktion von Muskeln steuert und koordiniert. Dazu benötigt es Kabel, die zu den Muskeln führen ; man bezeichnet diese Kabel als motorische Nerven. Ein wirksamer Schutz der Gene ist allerdings nur möglich, wenn der Zeitpunkt der Muskelkontraktionen auf irgendeine Weise auf den zeitlichen Ablauf von Ereignissen in der Außenwelt abgestimmt ist. Es ist wichtig, daß die Kiefermuskeln nur dann angespannt werden, wenn die Kiefer etwas enthalten, das sich zu beißen lohnt, und daß sich die Beinmuskeln nur dann kontrahieren, um Laufbewegungen durchzuführen, wenn etwas da ist, zu dem man hin- oder vor dem man weglaufen muß. Aus diesem Grunde hat die natürliche Auslese die Evolution von Tieren begünstigt, die mit Sinnesorganen ausgestattet sind, das heißt mit Einrichtungen, die den Ablauf physischer Ereignisse in der Außenwelt in den Impulscode der Neuronen übersetzen. Das Gehirn ist mit den Sinnesorganen – Augen, Ohren, Geschmacksknospen und so weiter – durch Kabel verbunden, die man als sensorische Nerven

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