Das Ei und ich
und zu beschwören, daß er es gesagt habe, aber ich kann es mir nicht vorstellen, denn es wäre gerade so gewesen, als hätte er mich mit den Worten: »Und dann, Liebling, habe ich noch eine wunderschöne Überraschung für dich: Eine gute Freundin von mir, eine Prostituierte, wird mit uns leben« umworben. Ich stellte bald fest, daß ein Wecker, der um vier Uhr früh ein paar Zentimeter vom Ohr entfernt losrasselt, einen zwar nicht munter macht, dafür aber eine Schockwirkung auslöst, von der man sich nur langsam erholt, ohne wach zu werden. Ich kam dahinter, daß es nur ein Mittel gab, rechtzeitig aus dem Bett zu kommen: beim ersten Ton des Weckers aus den Federn zu springen, sich anzuziehen und dann – und da muß ich das Lob aller außer Hause liegenden Toiletten singen – einen erfrischenden kleinen Spaziergang durch die Morgenluft zu machen.
Bob lag das Frühaufstehen nicht weiter auf dem Magen, ihm schien es Freude zu bereiten. Als die winterlichen Morgen kamen, an denen es noch stockfinster draußen ist und der Regen sich durchs Dach hindurch zu trommeln scheint, erbot er sich, für mich aufzustehen und Feuer zu machen, damit ich noch ein bißchen im Bett bleiben könne. Ich nahm das großmütige Angebot natürlich selig an, und am Morgen wälzte Bob sich schwerfällig aus dem Bett, daß die Decke verrutschte und mich eisigkalte Luft traf. »Schlaf nur noch ein bißchen«, trompetete er, beim Anziehen im Zimmer umherstampfend, »das Feuer ist im Handumdrehen fertig« Also schloß ich die Augen, kuschelte mich ins Kissen und dachte glücklich: »Ich habe den fabelhaftesten Mann der Welt geheiratet.« Doch ich hatte Herd vergessen. Das Kreischen der Ofentüren riß mich aus meiner Schlaftrunkenheit auf, und meine Zähne begannen im Takt mit dem widerlichen Geräusch des im Rost stochernden Schürhakens zu klappern. Als nächste Überraschung folgten dicke Schwaden schwarzen Rauchs und eine Flut von Flüchen, unter denen: »Verdammter schwarzer Bastard!« vorherrschte. Ich sprang auf und eilte Bob zu Hilfe. Mit der unschuldvollsten Miene der Welt erklärte er: »Es war doch nicht nötig, daß du aufstehst. Hättest du ruhig weitergeschlafen, bis das Feuer brennt!« Ich bezwang mich und unterdrückte das Verlangen, ihm unter die Nase zu reiben, daß selbst ein Toter bei dem von ihm vollführten Lärm aufgewacht wäre. Doch ich stand in Zukunft wieder auf und versuchte selbst, mit Herds Tücken fertig zu werden.
Äußerst einfach ließ sich die Ernährungsfrage lösen. Als alltägliche Kost kamen auf unseren Tisch: Fasanen, Wachteln, Enten, Krebse, Wild, Muscheln, Austern, Bachforellen, Lachs, Backhühnchen und Pilze. Anfänglich schwelgten Bob und ich und schrieben seitenlange Ergüsse heim, die sich wie Auszüge aus dem Tagebuch eines Feinschmeckers anhörten. Es war alles so reichlich vorhanden und so einfach und billig zu beschaffen, daß es um unsere Tafel ohne viele Anstrengungen unsererseits königlich bestellt war. Chinesische Fasanen gab es in derartigen Mengen, daß Bob sich manchmal das Gewehr langte, die Straße hinunter zum Kornfeld unseres Nachbarn schlenderte, zwei Fasanen abschoß – übergenug für uns beide –, wieder heimschlenderte und sie mir auf den Küchentisch legte. Bei den ersten Fasanen nahm ich mir noch die Mühe, sie unter Bobs fachmännischer Anleitung auszunehmen, zu füllen und zu braten. Später machte ich mir die Sache leichter. Ich schnitt die Brust heraus, dämpfte sie mit Champignons in Butter und warf den Rest weg. Es war ein delikates Essen. Wachteln gab es in Hülle und Fülle, aber sie waren zu klein, um ausgiebig zu sein, so daß wir sie nur als Füllung für Fasanen und Birkhühner verwendeten. Millionen – die Zahl ist nicht übertrieben – von Tauben bevölkerten das Tal. Sie senkten sich schwarmweise als weiße Wolken auf die Felder nieder, wenn die Farmer Weizen säten, und trotzdem sie durch Bundesgesetz geschützt waren, schossen die Männer sie ab. Unsere Nachbarn brachten sie uns dutzendweise. Sie schmeckten herrlich, hatten dunkles Fleisch und waren sehr saftig von dem nahrhaften Weizen-, Mais- und Gerstefutter, das sie aus den Äckern ringsum gepickt hatten. Es tut mir leid, zugeben zu müssen, daß ihr illegales Erscheinen in meiner Bratpfanne mich in meinem Genuß nicht im geringsten störte. Bob ist ein guter Jäger, vor allem aber ein sehr braver Bürger, und er befleißigte sich anfänglich, den Farmern lange Reden darüber zu halten, daß die
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