Das Ei und ich
Gesetze unbedingt respektiert werden sollten. Doch als er bei der ersten großen Aussaat miterlebte, welchen Schaden die Schwärme von Tauben anrichteten, änderte er seine Ansicht und fand sogar, es müßten Prämien auf ihren Abschuß ausgesetzt werden. Aber charakterstark wie er ist, ging er nie so weit, selbst eine Taube zu schießen oder zuzugeben, daß sie ihm in gebratenem Zustand ausgezeichnet mundete.
Wild hatten wir zwölf Monate im Jahr, konserviert oder frisch. Für die Indianer, die den größten Teil der Bevölkerung dieser Gegend ausmachten, und die Farmer, die ebenfalls viel Indianerblut hatten, war Wildbret Fleisch und das Jagdgesetz für die fremden Jäger erlassen, die im Herbst das Land überfluteten und sämtliche Böcke abschlachteten. Unsere Ganzjahr-Schützen behaupteten stolz, nur Rehe zu schießen, die zur Unfruchtbarkeit verdammt waren, was sie angeblich an der Färbung der Tiere erkannten. Jedenfalls schlichen die indianischen Jäger auf leisen Sohlen durch die Wälder. Die einzigen Wildhüter, die imstande gewesen wären, indianische Wildfrevler zu erwischen, sind Indianer, deshalb hatten wir einen indianischen Wildhüter im Revier, doch die übrigen Indianer und die Farmer fuhren munter fort, Wild zu schießen, sooft sie Appetit darauf hatten, und wir, die wir im Herzen des Wildgebietes lebten, konnten von Januar bis Dezember soviel davon haben, wie wir nur wollten.
Die Wildbretzubereitung gehörte zu Bobs Obliegenheiten. Es wurde zu einer feststehenden Gepflogenheit, da er der Meinung war, nur der Küchenchef vom Waldorf-Astoria und er verstünden, Wildbret zuzubereiten. Er nahm dazu reichlich Knoblauch, Salbei, Majoran, Lorbeer, Pfeffer, Worcestershiresauce, Selleriesalz, Zwiebelsalz, Pilzsalz und sonstiges Salz, sämtliche verfügbaren Töpfe und Pfannen und faßte vorsichtshalber alles an, was er mit seinen mehlverkleisterten Händen erwischen konnte. War es endlich, endlich soweit, und der Braten steckte im Ofen, saß er um Herd herum und stand mir im Wege und klagte wortreich über die miserable Qualität des Holzes (des gleichen Holzes, das er in allen Tonarten pries, wenn er es von draußen hereinschleppte, und dem er noch nie dagewesene Kräfte zuschrieb, Weißglut zu erzeugen). Stand dann das mit so viel Aufwand zubereitete Stück Fleisch auf dem Tisch, und Bob legte mir eine Scheibe Braten oder ein Kotelett, oder wie er es zur Abwechslung frisiert hatte, auf den Teller, fand ich, es schmeckte nach Wild und sonst gar nichts. In der zweiten Woche konnte ich es nicht mehr sehen. Nur eingelegt mit Perlzwiebeln und Karotten war es ausgezeichnet. Der Konservierungsprozeß brachte den typischen Wildgeschmack zum Verschwinden, und öffnete man die Gläser nach ein paar Monaten, schmeckte das Wildbret wie saftiger Schmorbraten.
Pilze schossen, wie man es ihnen im Sprichwort nachsagt, aus dem Boden um die Scheunen und Ställe und in den Feldern. Die um Scheunen und Ställe hatten Durchmesser bis zu fünfzehn Zentimetern, und die Champignons waren groß wie Babyfäuste. Die in den Feldern erreichten nicht ganz den gleichen Umfang, aber sie waren ebenso schmackhaft. Einer von Vaters Versuchen, uns zu praktischer Tüchtigkeit zu erziehen, hatte in der Aufgabe bestanden: »Wie unterscheidet man einen Giftpilz von gewöhnlichen Feldchampignons?« Er kaufte zu diesem Zweck mehrere, sehr teure, illustrierte naturgeschichtliche Werke, unter denen eines speziell über Gift- und andere Pilze Auskunft gab. Jahrelang sammelten wir Musterexemplare und versuchten, sie an Hand des Pilzbuches und seiner reichlich verworrenen Angaben zu klassifizieren. »Einige sind giftig, andere ungiftig«, stand unter den meisten Abbildungen. Nur der Würgengel und der Feldchampignon waren von dieser Regel ausgenommen. Unter dem Bild des gewöhnlichen Feldchampignons war zu lesen: »Dieser Pilz wird oft mit dem Würgengel verwechselt.« Und unter dem Bild des Würgengels: »Der Würgengel wird oft mit dem gewöhnlichen Feldchampignon verwechselt.« Zwecks Erziehung zu praktischer Ertüchtigung gebot uns Vater, Unmengen von Würgengeln, (die so giftig sind, daß selbst das Einatmen der Sporen schon gefährlich ist) und Feldchampignons, von den kleinsten bis zu den größten Sorten, zu sammeln und zu lernen, sie auf den ersten Blick zu unterscheiden. Wir scheinen es gelernt zu haben, denn wir leben alle noch, obwohl wir leidenschaftliche Pilzsammler sind.
Das Meer als Nahrungsspender war ebenfalls nicht zu
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