Das Ei und ich
ließ sie mir gegen das Schienbein sausen. Bob schimpfte nicht mit mir, das war nicht seine Art, aber sein Benehmen sprach deutlicher, als Vorwürfe es vermocht hätten. Den letzten Bissen noch im Munde, stand er schon vom Tisch auf und begab sich mit umwölkter Stirn zu Bett, wo er ohne Zweifel von den guten alten Zeiten träumte, da es gang und gäbe war, die Frau zu verprügeln.
Sonntag! Auf dem Lande ist Sonntag der Tag, an dem man genausolange und genausoviel schuftet wie an anderen Tagen, mit dem Unterschied, daß man ein schlechtes Gewissen dabei hat, weil es doch Sonntag ist.
Sonntags schabte ich die Flecken von Herds schwarzem Kleid, was ihm zuzusagen schien, denn er briet die Hühnchen untadelig und schmorte das Fleisch schön weich, ja, er gab sogar noch Wärme ab. Übermütig geworden durch seine Leutseligkeit, blätterte ich Rezepte für ausgefallene Backspezialitäten durch, kam aber letzten Endes immer wieder auf einen einfachen Apfelkuchen zurück, weil ich dazu fertige Böden nehmen konnte und unsere Äpfel so ausgezeichnet waren, daß sie gut schmeckten, ganz egal, was ich damit anstellte.
Außerdem nützte ich Herds sonntägliche Menschenfreundlichkeit aus, um mir das Haar zu waschen. Angeregt durch die Abbildungen kunstvoller Frisuren in den illustrierten Zeitschriften, versuchte ich selbst dann eine verwegene Haartracht. Leider ist mein Haar dick und sehr eigensinnig, und die Frisuren sahen auf meinem Kopf stets anders aus als in den Zeitschriften. Aber es spielte keine Rolle, es war nur eine Abwechslung für mich, denn sobald Bob aus dem Hühnerstall hereinkam und mich leicht befremdet anschaute, nahm ich hold errötend den Kamm und strich das Haar auf die gewohnte Weise zurück. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, daß Bobs Mutter während ihrer Schwangerschaft mal über einen von den typischen Zuckerschachteldeckeln erschrocken sein muß, auf denen lieblich lächelnde Damen in unnatürlicher Stellung den Beschauer anblickten, denn er hatte eine nur so erklärliche Vorliebe für tief im Nacken geknotetes Haar, die Farbe Hellblau und Glockenhüte mit schwingendem Rand.
Um ein Uhr mittags war am Sonntag das Haus sauber, mein Haar gewaschen, Bob in reine Sachen gekleidet und das Essen fertig. Und oft kam im Augenblick, da wir uns zu Tisch setzten, wie auf ein verabredetes Zeichen die Sonne hervor. Zwar schien sie nicht sehr glutvoll, sondern mit der scheuen Zurückhaltung einer alten Jungfer, und sie huschte auch immer wieder hinter die Wolken, um nach ihrem Strickzeug zu suchen, und steckte dann mit einem um Entschuldigung bittenden Lächeln den Kopf heraus, aber zaghaft oder nicht zaghaft, es war jedenfalls die Sonne und es regnete nicht. Die Berge reckten ihre weißen Busen, entweder der Sonne oder dem Sonntag zuliebe, und sahen aus, als würden sie sich gleich räuspern und mit kehligen Altstimmen ein Loblied auf die Pracht der Bergwelt schmettern.
In den wenigen Minuten, die mir am Sonntag zwischen meinen Bemühungen um Herd und meiner Tätigkeit am Ausguß blieben, widmete ich mich der Entfernung des Schmutzes, den ich vom Holzschuppen in die Küche geschleift hatte. Bob fiel die Aufgabe zu, zwei Ladungen Holz zu spalten und Wasser zu holen. Nach dem Essen harrte unser das Sortieren und Einpacken der Eier.
Wintertag folgte auf Wintertag, Winterwoche auf Winterwoche, und das einzige, was sich änderte, war das Wetter. Kein Wunder, daß die Menschen aus der guten alten Zeit friedvoll aussahen: Sie hatten sich noch nicht so viele Erfindungen beschert, die ihnen Sorgen bereiteten. Die Tage vergingen wie Butter auf der Zunge und hinterließen keinen Nachgeschmack.
Tagesfreud und Tagesleid
Wie auch immer meine ursprüngliche Einstellung gewesen sein mag, im Laufe der Zeit fand ich mich mit gewissen Eigenheiten des Landlebens ab, betrachtete sie als unvermeidliche Gräben auf der Straße meines Lebens, soweit es sich auf einer Hühnerfarm abspielte, und gewöhnte mich andererseits daran, Dinge, die zuerst mein helles Entzücken hervorgerufen hatten, als selbstverständlich hinzunehmen.
Einer der tiefsten Gräben war in meinen Augen das Aufstehen um vier Uhr morgens. Es fiel mir Tag für Tag von neuem schwer, und ich begann zu überlegen, ob ich wohl bereit gewesen wäre, Bob zu heiraten, wenn er mir im voraus geschildert hätte, daß das Aufstehen zu mitternächtlicher Stunde unteilbar mit der Ehre, seine Frau zu werden, verbunden sei. Er pflegte laut über meine Zweifel zu lachen
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